OR-RECHNUNGSLEGUNG
Zwischenabschluss - Angaben im Anhang
Mit der Aktienrechtsrevision 2020 wurde mit Art. 960f OR erstmals eine Bestimmung zum Zwischenabschluss ins OR aufgenommen, die Vorgaben zur Erstellung macht. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, welche Angaben im Anhang erforderlich sind.






Die Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung nach Art. 958c Abs. 1 OR sind bei der Erstellung des Anhangs zum Zwischenabschluss uneingeschränkt anzuwenden. Der Anhang muss also insbesondere alle wesentlichen Aspekte des Zwischenabschlusses erfassen sowie klar und verständlich sein. Hinzu kommen die spezifischen Vorgaben des OR zum Zwischenabschluss.
Der Anhang muss zunächst den Zweck des Zwischenabschlusses bezeichnen (Art. 960f Abs. 2 Ziff. 1 OR). Die Bestimmung ist wichtig, da der Zweck der Rechnungslegung massgeblich deren Inhalt und Interpretation prägt. Neben der allgemeinen Information und Rechenschaftslegung hat jeder Zwischenabschluss einen spezifischen Zweck, der im Anhang offen zu legen ist. Je nach Anlass zur Erstellung eines Zwischenabschlusses kann das Interesse der Adressatinnen und Adressaten unterschiedlich sein. So stehen bei der Ausrichtung einer Zwischendividende (Art. 675a Abs. 1 OR) die Erfolgsrechnung und die Frage im Vordergrund, ob der Geschäftsverlauf die Zahlung einer Zwischendividende rechtfertigt. Besteht hingegen begründete Besorgnis einer Überschuldung (Art. 725b OR), so muss die Bilanz zeigen, ob die Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch die Aktiven noch gedeckt sind oder ob der Verwaltungsrat das Nachlass- oder Konkursgericht benachrichtigen muss.
Vereinfachungen, Verkürzungen und Abweichungen
Der Gesetzgeber erwartet eine explizite Aussage darüber, welche Vereinfachungen und Verkürzungen gegenüber der letzten Jahresrechnung vorgenommen wurden (Art. 960f Abs. 2 Ziff. 2 OR). Sofern keine Vereinfachungen oder Verkürzungen stattgefunden haben, ist aus Gründen der Klarheit eine entsprechende Erklärung hilfreich. Zudem müssen Abweichungen von den Grundsätzen der letzten Jahresrechnung angegeben werden. Dabei empfiehlt sich eine kurze Beschreibung des Grundes sowie der Auswirkungen zumindest auf Ergebnis und Eigenkapital, sofern es sich um Abweichungen handelt, die für das Verständnis des Geschäftsgangs bedeutend sind.
Zu den Grundsätzen gehören auch Angaben zu Schätzungsunsicherheiten als Teil von Ermessensspielräumen. Im Zwischenabschluss sind diese dann relevant, wenn es zu wesentlichen Änderungen im Vergleich zum letzten Jahresabschluss kommt. Betroffen sind oftmals Unsicherheiten in der Bewertung von Beteiligungen, immateriellen Werten und Rückstellungen. Besonders bedeutend sind Änderungen der Fortführungsprognose. Ergeben sich am Zwischenbilanzstichtag Zweifel an der Unternehmensfortführung («going concern»), obwohl am vorhergehenden Bilanzstichtag die Fortführungsprämisse uneingeschränkt gegeben war, sind die Zweifel anzugeben und zu erläutern. Umgekehrt sind auch Angaben notwendig, wenn sich am Bilanzstichtag bestandene Unsicherheiten bezüglich Fortführung in der Zwischenabschlussperiode aufgelöst haben.
Wesentliche Einflüsse auf die wirtschaftliche Lage
Der Anhang muss auch weitere Faktoren enthalten, «welche die wirtschaftliche Lage des Unternehmens während der Berichtsperiode wesentlich beeinflusst haben, insb. Ausführungen zur Saisonalität» (Art. 960f Abs. 2 Ziff. 3 OR). Ziff. 3 ist als Auffangtatbestand einzustufen, der hilft, das Gebot der umfassenden Transparenz beim Zwischenabschluss umzusetzen.
Saisonale Einflüsse
Je nach Branche sind unterjährige Geschäftsdaten eines Zwischenabschlusses mehr oder weniger durch saisonale oder zyklische Schwankungen geprägt und grundsätzlich nicht repräsentativ für die Entwicklung eines gesamten Geschäftsjahrs. Es kann deshalb schwierig sein, aus den Zahlen eines Zwischenabschlusses Rückschlüsse auf ein Gesamtjahr zu ziehen. Besonders bei umsatzschwachen Quartalen sind Umsatz- und Ergebnisdaten kaum brauchbar. Es ist daher für die Aussagekraft des Zwischenabschlusses notwendig, auf die Ursachen derartiger saisonaler oder zyklischen Eigenschaften des Geschäftsverlaufs und auf ihre Auswirkungen auf den Zwischenabschluss hinzuweisen. Auch Abweichungen zur entsprechenden Vorjahresperiode sind darzustellen.
Weitere wesentliche Faktoren
Alle Ereignisse und Geschäftsvorfälle, welche die Adressatinnen und Adressaten des Zwischenabschlusses für die Beurteilung der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage seit dem letzten Jahresabschluss benötigen, sind im Anhang des Zwischenabschlusses zu erläutern. Dazu gehören unter anderem Geschäftsvorfälle, die aufgrund ihrer Art, ihres Ausmasses oder ihrer Häufigkeit ungewöhnlich sind. Bereits in den Vorperioden gemachte Erläuterungen sind zu aktualisieren, wenn das Ereignis oder der Geschäftsvorfall unverändert wesentlich ist.
Zu den Mindestangaben im Anhang des Zwischenabschlusses gehören zunächst alle Pflichtangaben des Anhangs der Jahresrechnung, die in der Zwischenberichtsperiode eine wesentliche Änderung erfahren haben und für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage bedeutend sind (Art. 958 Abs. 1, Art. 959c OR). Besonders erwähnenswert sind die wesentlichen Ereignisse nach dem Zwischenbilanzstichtag sowie der Netto-Gesamtbetrag der in der Zwischenberichtsperiode aufgelösten stillen Reserven. Neben diesen Pflichtangaben sind Angaben zu den in der untenstehenden Box aufgeführten Themen prüfenswert (die Aufzählung ist nicht abschliessend).
- Emissionen, Rückkäufe und Rückzahlungen von Schuldverschreibungen;
- Änderungen in der Unternehmens- oder Konzernstruktur;
- Aufgabe eines Geschäftsbereichs;
- Änderungen der flüssigen Mittel und kurzfristig gehaltenen Aktiven mit Börsenkurs;
- Änderungen der Verbindlichkeiten (höhere Verschuldung oder schlechtere Konditionen);
- gezahlte Dividenden;
- Wertberichtigungen auf Vermögenswerten;
- Bildung und Auflösung von Rückstellungen;
- Berichtigung von Bilanzierungs- oder Bewertungsfehlern;
- Veränderungen im Unternehmensumfeld;
- Veränderungen bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen;
- Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen oder Personen;
- Forderungsausfälle.
Literaturhinweise
Beitrag in Anlehnung an Pfaff Dieter/Zihler Florian, Kommentar zu Art. 960f OR, in: Dieter Pfaff/Stephan Glanz/Thomas Stenz/Zihler Florian (Hrsg.), Rechnungslegung nach Obligationenrecht - Praxiskommentar mit Berücksichtigung steuerrechtlicher Vorschriften, 3. Aufl., Zürich 2024, S. 636-659, mit weiteren Nachweisen.
Hebestreit Gernot/Lewe Eckhard, § 43 Zwischenberichterstattung, in: Jens Brune et al. (Hrsg.), Beck'sches IFRS-Handbuch, 6. Aufl., München 2020, S. 1931-1974.
Lüdenbach Norbert/Hoffmann Wolf-Dieter/Freiberg Jens, § 37 Zwischenberichterstattung, in: Nobert Lüdenbach/Wolf-Dieter Hoffmann/Jens Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 19. Aufl., Freiburg im Breisgau 2021.
Pfaff Dieter/Zihler Florian, Der neue Zwischenabschluss nach Art. 960f nOR. Übersicht und praktische Anwendungsfragen, in: EXPERT FOCUS 2/2022, S. 27-34.