INTERVIEW
Im Gespräch mit Roger Zbinden, neues Vorstandsmitglied SwissAccounting
Sein Herz schlägt für die Mehrwertsteuer
Die Generalversammlung wählte den Steuerexperten Roger Zbinden am 19. Juni 2025 in Bern einstimmig in den Vorstand von SwissAccounting. Sein Curriculum zeigt, dass er sich gerne engagiert, wo er Vertrauen spürt. Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit, auf sein Know-how und neue Ideen!
Interview: Dieter Pfaff I Text: Marion Tarrach I Fotos: Patric Spahni
Nochmals herzlichen Glückwunsch zu deiner Wahl, Roger! Wie lange musstest du überlegen, ob du dich zur Verfügung stellst?
Über zwei Dinge habe ich tatsächlich nachgedacht. Zum einen bringt jede Funktion eine zeitliche Belastung mit sich – also habe ich mit meiner Frau gesprochen und von ihr sehr rasch grünes Licht bekommen. Zum anderen ... Mit George Babounakis habe ich in der Eidgenössischen Steuerverwaltung zusammengearbeitet, sein Tod ging mir nahe. Ich musste mir erst klar werden, ob ich mich an seiner Stelle wählen lassen kann. Nun freue ich mich auf die kommenden Aufgaben, das ist spannend!
Wo liegen deine fachlichen Stärken?
Passend zu meinen Abschlüssen natürlich im Steuerrecht mit Schwerpunkt Mehrwertsteuer. Ich werde mich auch zu den direkten Steuern einbringen. Beide Fachgebiete lassen sich mit meinem buchhalterischen Background verbinden. Ich habe jahrelang die Finanzen eines kleinen KMU-Konzerns betreut.
Roger Zbinden ist dipl. Steuerexperte mit einer kaufmännischen Grundbildung und dem eidg. Fachausweis im Finanz- und Rechnungswesen als frühere Meilensteine seines Bildungswegs. Nach rund 14 Berufsjahren in der Baubranche wechselte er 2007 zur Hauptabteilung Mehrwertsteuer der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Als Teamleiter in der Abteilung externe Prüfung trägt er die Verantwortung für acht Mitarbeitende. Angesprochen auf die langen Jahre beim gleichen Arbeitgeber, meint er: «Wenn ich das Vertrauen eines Arbeitgebers spüre, gibt es keinen Grund für einen Wechsel. Die Steuerverwaltung hat mir unter anderem ermöglicht, mich beruflich weiterzubilden. Deshalb bin ich immer noch hier und werde es auch bleiben. Mir gefällt die Materie sehr.» Der leidenschaftliche Fussball- und YBFan ist 51 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Kinder. Für das jüngere der beiden hat nach den Sommerferien das Abenteuer Kindergarten begonnen.
Du spielst auf deinen Fachausweis im Finanz- und Rechnungswesen an. Ist dieses Fundament auch für einen Steuerexperten hilfreich?
Auf alle Fälle! Ich hatte on-the-job gelernt, was wie funktioniert und wurde so zum Chefbuchhalter. Zu vielen Vorgängen fehlte mir allerdings das Hintergrundwissen. Die berufliche Weiterbildung bot eine Menge Aha-Erlebnisse. Vor allem vom Wissen über die rechtlichen Grundlagen habe ich extrem profitiert. Die Ausbildung ist breit gefächert, bringt aber trotzdem Top-Spezialisten hervor. Bei unseren Mehrwertsteuer-Kontrollen schmerzt manchmal mein Buchhalter-Herz, denn längst nicht überall werden die Aufgaben im Finanz- und Rechnungswesen seriös erfüllt. Es kann eine Firma sehr teuer zu stehen kommen, wenn sie Versäumnisse in diesem Bereich nachholen muss.
Die Arbeitswelt wird immer digitaler und automatisierter. Was tut sich diesbezüglich auf der Mehrwertsteuer-Verwaltung – nutzt ihr die künstliche Intelligenz (KI)?
In den letzten Jahren hat sich die Mehrwertsteuerverwaltung technologisch rasant entwickelt, unsere Systeme werden immer besser. Manches, das wir heute gerne tun würden, ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Bei der Anwendung von KI müssen wir aufpassen, dass das Steuergeheimnis und die Bestimmungen des Datenschutzes nicht verletzt werden. Es gäbe einen enormen Effizienzgewinn, wenn wir Unterlagen via ChatGPT oder durch andere Tools auswerten lassen könnten. Nur in anonymisierter Form sind einzelne Auswertungen und Risikobeurteilungen möglich. Für allgemeine Recherchen und Fragen nutze ich KI jedoch sehr häufig. Die Zeit von absurden Antworten und Verwechslungen bei Rechtsfragen ist vorüber, die Qualität der Antworten steigt in beeindruckendem Tempo. Man muss die Informationen jedoch immer noch auf ihre Richtigkeit hinterfragen.
Welche weiteren Entwicklungen erlebst du in deinem Arbeitsumfeld als positiv?
Bezüglich Digitalisierung haben wir einen Quantensprung vollbracht und arbeiten fast medienbruchfrei in einem papierlosen Büro. Unsere Berichte bleiben durch alle Schritte hindurch in elektronischer Form. Das ist eine massive Erleichterung. Allgemein ist die Mehrwertsteuerverwaltung agiler geworden. Ich persönlich denke, dass wir uns am Puls der Wirtschaft bewegen. Es gelingt uns immer besser, neue Geschäftsmodelle frühzeitig zu erkennen und eine entsprechende Praxis hierfür innert nützlicher Frist zu publizieren. Praxisänderungen hingegen benötigen in der Regel mehr Zeit und binden intern hohe Ressourcen für die Überarbeitung, was nicht zu unterschätzen ist.
Welche Bedeutung hat die Weiterbildung in eurer Behörde?
Eine sehr grosse. Unsere Mitarbeitenden sind zu mehreren Tagen Weiterbildung pro Jahr verpflichtet. Beispiel Teilrevision der Mehrwertsteuer: Um hierzu alles Wissenswerte zu erfahren, kommen die knapp 180 Mitarbeitenden der externen Prüfung zu Schulungen nach Bern. Sie müssen die Details der Revision ja nicht nur kennen, sondern bei ihren Kontrollen dazu Auskunft geben können. Wir brauchen auch deshalb ein sehr breites buchhalterisches und Mehrwertsteuer-Wissen, da nahezu alle Mitarbeitenden im Aussendienst fast alle Branchen prüfen.
Du bist einer der Schlüsselreferenten unseres Verbands. Was kann SwissAccounting dazu beitragen, die Fachkräfte auf dem neusten Stand zu halten?
Das Bildungsangebot von SwissAccounting ist schon heute zielgerichtet und im Markt anerkannt. Ich erhalte durchwegs positive Rückmeldungen. Bei einigen Lehrgängen bin ich selber im Einsatz und erlebe, wie stark unsere Referierenden in der Praxis verankert sind. Wir müssen die Gesetze nicht zitieren und theoretisch verstehen können, sondern wissen, wie sie in der Praxis anzuwenden sind.
Auch das Accounting – mit dem Treuhandbereich und dem Steuerwesen – müssen sich mit einem Fachkräftemangel auseinandersetzen. Wie sieht das bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung aus?
Natürlich sind auch wir davon betroffen, je nach Region und je nach Ausschreibung in unterschiedlicher Stärke. Einen Lohndruck haben wir mit unseren nationalen Lohnbändern vor allem im Raum Zürich. Und da wir uns mit nationalem Recht beschäftigen, nützen uns auch Bewerbungen aus aller Welt relativ wenig.
Wie seid ihr in der Gewinnung von Berufsnachwuchs aufgestellt?
Wir setzen ein neues Konzept um und haben Stellen geschaffen, um Leute direkt nach der Grundbildung oder dem Erststudium abholen und bei uns ausbilden zu können. Sie erlernen das Handwerk im beruflichen Alltag und absolvieren parallel dazu die Weiterbildung zu Fachleuten im Finanz- und Rechnungswesen. Das Interesse an unseren Funktionen ist vorhanden, wobei der Schritt von der Buchhaltung zur Kontrolltätigkeit im Aussendienst nicht zu unterschätzen ist.
SwissAccounting sammelt seit Mitte Jahr Erfahrungen mit einem eigenen TikTok-Kanal. Hältst du das für sinnvoll, um junge Menschen fürs Accounting zu begeistern?
Der Kanal hat schon recht viele Abonnentinnen und Abonnenten, die Clips scheinen die gewünschte Zielgruppe anzusprechen. Ich finde die Beiträge super. Ob jemand explizit deshalb den Berufsweg im Accounting wählt, ist meines Erachtens noch nicht mal matchentscheidend. Wichtiger scheint mir, dass sich der Verband positioniert und sichtbar macht.
Wie hoch ist eigentlich die Mitgliederquote bei SwissAccounting in der Mehrwertsteuerverwaltung?
Ich sehe an den Generalversammlungen von SwissAccounting jedenfalls etliche vertraute Gesichter ... Die Buchhalter- und Controllerabschlüsse sind bei uns weit verbreitet, wodurch ein fachlicher Bezug zum Verband besteht. In meinem Team haben mit einer Ausnahme alle mindestens den Fachausweis in der Tasche. Wir suchen solche Leute.
Was wünschst du dir für deine Vorstandsarbeit bei SwissAccounting?
Ich freue mich darauf, mich in der Funktion weiterzuentwickeln, Neues zu lernen und bei Tagesseminaren über meinen eigenen Tellerrand hinausschauen zu können. Zwei, drei Projektideen bringe ich natürlich auch mit: Einerseits sollten wir das Mehrwertsteuerbuch überarbeiten, was mir persönlich am Herzen liegt. Andererseits würde ich gerne einen Fokus auf das Steuerrecht allgemein legen und klären, welche Angebote wir als Verband in diesem Bereich machen wollen. Aufgrund der kantonalen Unterschiede sind die direkten Steuern schwieriger zu bearbeiten als die Mehrwertsteuer, aber ich bin überzeugt, dass wir auch hierfür gute Ansätze finden werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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