RECHT

Aktuelle und interessante Gerichtsurteile

Zwingend auf elektronischem Weg - auch für Treuhänder?

Der Kanton Zürich darf von Anwältinnen und Anwälten sowie von anderen berufsmässigen Parteivertretern verlangen, ab 2026 Verfahrenshandlungen mit kantonalen Verwaltungsbehörden und Gerichten ausschliesslich auf elektronischem Weg vorzunehmen. Der damit verbundene leichte Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit liegt im öffentlichen Interesse und ist verhältnismässig.

(BGer-Urteil 2C_113/2024)

Bestimmung der zulässigen Mietzinserhöhung nach Renovation

Zur Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung nach einer Wohnungssanierung sind die wertvermehrenden Investitionen zum gleichen Satz zu verzinsen wie bei der Festlegung des erlaubten Nettoertrags (im Rahmen einer Überprüfung des Anfangsmietzinses). Erlaubt ist demnach ein Ertrag, der den Referenzzinssatz um 2% übersteigt, solange dieser 2% oder weniger beträgt. Gemäss Bundesgericht ist auf dieser Basis ein monatlicher Mietzins von 1117 CHF für eine 5-Zimmer-Wohnung in Genf nicht missbräuchlich. Die Vermieterin hatte die Miete von 905 CHF auf 1420 CHF (ohne Nebenkosten) heraufsetzen wollen.

(BGer-Urteil 4A_75/2022)

Ärztehopping nicht erlaubt

Krankenkassen dürfen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) eine Erstanlaufstelle («Gatekeeper») einsetzen, wenn die versicherte Person unkoordiniert ärztliche Leistungen in Anspruch nimmt, die sich gestützt auf gutachterliche Abklärungen insgesamt als unwirksame und unzweckmässige - und damit auch unwirtschaftliche - Behandlung erweisen. Die Einsetzung eines «Gatekeepers» ist in diesem Fall mit dem Grundsatz der freien Arztwahl und dem System der Pflichtleistungen vereinbar.

(BGer-Urteil 9C_340/2024)

Gesicht verhüllen verboten

Ab dem 1. Januar 2025 ist es an öffentlich zugänglichen Orten in der ganzen Schweiz verboten, das Gesicht zu verhüllen. An seiner Sitzung vom 6. November 2024 hat der Bundesrat die neuen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen auf diesen Zeitpunkt in Kraft gesetzt. Wer unrechtmässig das Gesicht verhüllt, wird mit einer Busse von maximal CHF 1000 bestraft.

Medizinische Leistungen im Ausland möglich

Der Bundesrat schlägt vor, dass die obligatorische Krankenversicherung (OKP) künftig die Kosten von bestimmten medizinischen Mitteln und Gegenständen übernimmt, die Versicherte im Europäischen Wirtschaftsraum privat einkaufen. Aufgrund der teilweise tieferen Preise im Ausland können so Kosten gedämpft und der Wettbewerb gefördert werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 13. Dezember 2024 eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) in die Vernehmlassung geschickt.

Sozialversicherungsrecht

Auch für Parlamentarier gilt der Mutterschaftsurlaub

Das Bundesgericht weist die Beschwerde einer Nationalrätin im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung ab. Es erinnert daran, dass die Mutterschaftsentschädigung bei einer Wiederaufnahme der Arbeit durch die Mutter während der 14-wöchigen Anspruchsdauer nur dann weiter bezogen werden kann, wenn es sich um eine marginale Nebentätigkeit mit einem jährlichen Maximallohn von CHF 2300 handelt. Das ist hier nicht der Fall.

(BGer-Urteil 9C_290/2024)

Wittwer haben auch Anspruch

Der EGMR hat mit Urteil vom 20. Oktober 2020, bestätigt mit Urteil der Grossen Kammer vom 11. Oktober 2022, entschieden, dass die Schweiz Witwer gegenüber Witwen nicht weiterhin diskriminieren darf. Witwer haben denselben Anspruch auf Rente wie Witwen, auch wenn Art. 24 Abs. 2 AHVG das Gegenteil bestimmt.

Steuerrecht

Verfassungswidrig

Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die degressive Tarifstruktur der Unternehmensabgabe für Radio und Fernsehen verfassungswidrig ist. Es bestehen jedoch wichtige Gründe, die aktuellen Tarife bis zum Handeln des Bundesrates weiter anzuwenden.

(BGer-Urteil 9C_19/2024 und 9C_20/2024)

Ermessenseinschätzung zu tief führt zu einer Steuerhinterziehung

Für die Steuerperioden 2014 bis 2017 wurde das steuerpflichtige Ehepaar A. mangels Einreichung der Steuererklärung nach pflichtgemässem Ermessen veranlagt. Diese Veranlagungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Die nachträglich eingereichten Steuererklärungen für die betreffenden Steuerperioden wiesen ein höheres steuerbares Einkommen aus, als in den Ermessensveranlagungen veranlagt worden war. Die Busse wegen vollendeter Steuerhinterziehung wurde auf 75% der hinterzogenen Steuer festgesetzt. Vor Bundesgericht vermochten die Steuerpflichtigen keine Rechtsverletzung durch die Vorinstanzen geltend zu machen. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen. (BGer-Urteil 9C_511/2023)

Vorsteuerabzug betreffend Rückbau- und Altlasten-sanierungskosten

Wenn der Rückbau bzw. die Sanierung vom bisherigen Eigentümer vorgenommen wird, richtet sich das Vorsteuerabzugsrecht für angefallene Kosten nach der bisherigen Nutzung der Liegenschaft. Als «bisherige Nutzung» gilt die Zeit seit dem Erwerb bis zum Rückbau/Teilabbruch der Liegenschaft, wobei maximal 20 Jahre für die Berechnung des Vorsteuerabzugsrechts berücksichtigt werden. Folglich hat die ESTV das Vorsteuerabzugsrecht korrekt berechnet, indem sie auf die gesamte 17-jährige Nutzungsdauer (und nicht auf die letzte Nutzung vor dem Rückbau) abgestellt hat. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen.

(BGer-Urteil A-3360/2024)

Steuerumgehung bei der MWST

Es liegt eine Steuerumgehung vor, da die Steuerpflichtige lediglich ein Ferienhaus hielt, welches nach einem kostspieligen Umbau ausschliesslich dem Alleinaktionär zur Verfügung gestellt wurde, die Geltendmachung der Vorsteuern eine erhebliche Steuerersparnis bewirkte und eine Umgehungsabsicht vorliegt, da der Alleinaktionär selbst mangels Steuerpflicht nicht vorsteuerabzugsberechtigt wäre. Folglich wurde die Steuerpflicht zu Recht aberkannt und die Steuerpflichtige aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen gelöscht. Abweisung der Beschwerde der Steuerpflichtigen. (BVGer-Urteil A-1146/2023)

Privatanteil des Fahrzeuges mittels Vollkostenrechnung ermittelt

Der Streitfall drehte sich um die Frage, ob die A-AG ihrem Geschäftsführer und Aktionär ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt hat, was eine Vorsteuerkorrektur für Eigenverbrauch nach sich ziehen würde.

Die ESTV argumentierte, dass die uneingeschränkte Verfügbarkeit des Fahrzeugs eine steuerbare Eigenleistung gemäss Art. 3 MWSTG darstelle. Hinweise wie die Strassenverkehrszulassung, die über geschäftliche Zwecke hinausging, und der Sammlerwert des Fahrzeugs untermauerten die Annahme einer Privatnutzung.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied zugunsten der ESTV. Es stellte fest, dass die uneingeschränkte Verfügbarkeit des Fahrzeugs für den Geschäftsführer in Verbindung mit dem fehlenden Nachweis eines expliziten Nutzungsverbots als hinreichendes Indiz für eine private Nutzung zu werten sei. Es liege in der Verantwortung der steuerpflichtigen Person, einen Gegenbeweis zu erbringen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei.

Zudem bestätigte das Gericht die Berechnung der steuerbaren Eigenleistung auf Basis einer Vollkostenrechnung als rechtmässig und verhältnismässig. Die Methode wurde als geeignet angesehen, den wirtschaftlichen Vorteil der Nutzung realistisch abzubilden. Die Beschwerde der A-AG wurde abgewiesen.

(BVGer-Urteil A-973/2023)

Frist für Einsprache trotz ärztlichem Attest abgelehnt

Auf die gegen die Veranlagung 2021 erhobene Einsprache ist die Steuerverwaltung wegen Verspätung nicht eingetreten. Auch der daraufhin erhobene Rekurs bzw. die erhobene Beschwerde waren verspätet. Vor Verwaltungsgericht machte der Steuerpflichtige einen Fristwiederherstellungsgrund wegen Krankheit geltend und legte erstmals ein ärztliches Attest vor. In diesem Zusammenhang rügte er, dass die Vorinstanzen ihre Untersuchungspflicht verletzt hätten, indem sie nicht nach dem Hinderungsgrund der Verspätung gefragt und keine entsprechende Nachweise verlangt hätten. Das Verwaltungsgericht verneinte eine Rechtsverletzung und liess das Arztzeugnis als unzulässiges Novum unberücksichtigt. Diese Rechtsauffassung wurde vom Bundesgericht bestätigt. Abweisung der Beschwerde des Steuerpflichtigen. (BGer-Urteil 9C_119/2024)

Kein Abzug für Unterhaltsbeiträge an den Konkubinatspartner

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 15. November 2024 entschieden, dass Unterhaltszahlungen an ehemalige Lebenspartner im Rahmen einer nichtehelichen Gemeinschaft steuerlich nicht abzugsfähig sind. A. lebte in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit B. In seinen Steuererklärungen machte A. jährliche Abzüge in Höhe von CHF 46800 geltend, die auf den Zahlungen an B. basierten. Die Steuerverwaltung des Kantons Neuenburg verweigerte jedoch die Abzugsfähigkeit mit der Begründung, dass diese nur für Unterhaltsleistungen an geschiedene, rechtlich getrennte oder faktisch getrennte Ehepartner sowie an Elternteile für Kinder zulässig sei.

Das Bundesgericht bestätigte die Verweigerung der Abzugsfähigkeit und führte aus, dass gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG nur Unterhaltsleistungen an geschiedene oder getrennte Ehepartner sowie an Elternteile für Kinder steuerlich abgezogen werden können. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die nach Schweizer Recht registriert wurden, fallen unter diese Regelung. Lebensgemeinschaften ohne rechtlichen Status, wie die Beziehung zwischen A. und B. sind hingegen nicht erfasst.

Das Gericht stellte zudem fest, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Ehepaaren und nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht diskriminierend sei. Die gesetzliche Regelung basiere auf den spezifischen rechtlichen Verpflichtungen, die aus einer Ehe oder einer registrierten Partnerschaft hervorgehen, und sei somit gerechtfertigt.

(BGer-Urteil 9C_643/2023)