CONTROLLING
Künstliche Intelligenz im Reporting - warum Storytelling jetzt wichtiger wird
Während klassische Automatisierungstools im Reporting vor allem repetitive Aufgaben wie Datensammlung und -aggregation übernehmen, geht die künstliche Intelligenz (KI) einen Schritt weiter: Sie automatisiert zunehmend die wertschöpfenden Aufgaben wie Analyse und Kommentierung. Dadurch verändert sich die Rolle des Controllings: Der Fokus verschiebt sich immer stärker auf die kommunikative Vermittlung der Erkenntnisse. Eine Schlüsselkompetenz wird damit das Storytelling.
Das interne Reporting - meist im Monatsrhythmus - folgt einem festen Ablauf: Datensammlung, Aufbereitung, Plausibilisierung, Berichtserstellung, Analyse, Kommentierung und abschliessend die Besprechung. Analysen zeigen: Der Grossteil des Aufwands entfällt meist auf die ersten vier Schritte, die betriebswirtschaftlich als wenig wertschöpfend gelten. Gründe dafür sind zum Beispiel fehlende Standardisierung und begrenzte Automatisierung.
Heute kommen klassische Automatisierungstechnologien wie Robotic Process Automation (RPA) kombiniert mit traditioneller und generativer KI zum Einsatz. Während RPA repetitive Aufgaben ohne Variationen automatisiert, setzen KI-Plattformen wie Inspirient auf Machine-Learning-Algorithmen, um Auffälligkeiten zu analysieren, Prognosen zu erstellen und Korrelationen zu erkennen. Automatisierte Kommentierungstools (etwa von PwC oder Arria) kommentieren auf Basis generativer KI zentrale Ergebnisse aus den Reportingdaten oder erstellen ganze Management Summaries. Zukünftig dürften sogenannte KI-Agenten-Plattformen (z.B. von UiPath) Prozesse automatisch steuern und verschiedene Technologien miteinander kombinieren.
Im letzten Schritt - der Besprechung der Ergebnisse - bleibt jedoch der Mensch unverzichtbar. Gerade hier gewinnen kommunikative Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Empfängerinnen und Empfänger erwarten heute nicht nur korrekte Zahlen, sondern auch klare Botschaften, verständliche Interpretationen und konkrete Handlungsempfehlungen.
Kommunikation als Schlüsselkompetenz
Kommunikation ist laut LinkedIn Work Change Report 2024 eine der meistgefragten Kompetenzen - sicherlich auch im Finanzbereich. Besonders Personen, die für das Controlling verantwortlich sind, müssen lernen, Zahlen in überzeugende Argumente zu übersetzen. Der Internationale Controller Verein (ICV) bringt es in seiner Grundsatzposition auf den Punkt: «Controller müssen angemessen kommunizieren können. Storytelling ist angesagt.» (ICV 2023)
Doch Storytelling ist weit mehr als ein Modetrend. Vielmehr ist es ein methodisches Werkzeug, das komplexe Zusammenhänge verständlich und einprägsam vermittelt, was eine essenzielle Fähigkeit im heutigen Controlling darstellt.
Klassisches Storytelling - Wirkungsmechanismen und Chancen
Storytelling - also das Erzählen von Geschichten - ist eine sinnstiftende Abfolge von Ereignissen, oft verknüpft mit einem Spannungsbogen mit einem Climax (Höhepunkt), handelnden Figuren und einer zeitlich-räumlichen Einbettung. Studien zeigen, dass Storytelling die Aufmerksamkeit erhöhen, Erinnerungen verstärken und Vertrauen schaffen kann. Beispielsweise bleiben narrative Texte im Langzeitgedächtnis oft besser haften als reine Faktenaufzählungen (vgl. Negrete 2005).
Grenzen des klassischen Storytelling im Reporting
Doch nicht alle Elemente lassen sich eins zu eins auf das Reporting übertragen. Vielmehr stossen im operativen Reporting klassische Storytelling-Ansätze schnell an Grenzen:
- Ein Spannungsbogen - der die zentrale Aussage hinauszögert - widerspricht den Erwartungen der Berichtsempfangenden, die sofort die Kernaussagen des Reports erhalten möchten.
- Controlling-Berichte sind oft standardisiert (z.B. 1. GuV, 2. Bilanzkennzahlen, 3. Operative Kennzahlen usw.) und leben von ihrer klaren, festen Struktur. Eine Änderung der Reihenfolge zugunsten eines Spannungsbogens ist daher nicht möglich.
- Emotional aufgeladene Sprache («»der Umsatzsturz schmerzt») wirkt im Finanzbereich eher unprofessionell und kann die sachliche Argumentation untergraben.
Storytelling im Reporting - ein neuer Ansatz mit vier Dimensionen
Storytelling muss für das Reporting daher angepasst werden. Vor diesem Hintergrund haben wir einen Ansatz entwickelt, der ausgewählte Elemente des Storytelling gezielt auf das Reporting überträgt. In den Ansatz sind auch die Erfahrungen aus dem Austausch mit mehreren hundert Seminarteilnehmenden aus dem Finanzbereich eingegangen, die wir in den letzten Jahren sammeln durften. Der Ansatz beruht auf vier Dimensionen: Botschaft, Struktur, Visualisierung und Präsentation. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Empfangenden gezielt zu lenken, Botschaften klarer zu vermitteln und besser im Gedächtnis zu verankern. In den folgenden Abschnitten werden exemplarisch Beispiele aus den beiden Dimensionen Botschaft und Struktur näher beleuchtet.
Botschaften im Reporting prägnant formulieren
Die Dimension «Botschaft» stellt die Frage, welche Inhalte aus dem Reporting vermittelt und wie sie formuliert werden sollten. Für das Controlling liegt die Herausforderung meist weniger in der Auswahl der Inhalte als in deren klaren und empfängerorientierten Darstellung.
Eine wirksame Botschaft ist logisch, aktiv, verständlich und fokussiert. Was einfach klingt, verlangt in der Praxis bewusste Gestaltung. So zeigen etwa Studien, dass verstärkende Begriffe (z.B. deutlich, extrem, signifikant, besonders) dazu führen können, dass Empfangende die Zahlen als bedeutender und wirkungsvoller interpretieren als ohne verstärkenden Begriff. Ein Beispiel: «In Q42014 liegt der EBITDA mit -1,43 Mio. CHF sehr deutlich unter Plan.» Solche Verstärkungen sollten jedoch gezielt und sparsam verwendet werden, damit sie nicht ihre lenkende Wirkung verlieren. Daher sollten Controllerinnen und Controller also nicht alle Abweichungen als «sehr deutlich» kennzeichnen, sondern nur die aus ihrer Sicht zentralen Abweichungen, für welche dann auch ggf. Handlungsimpulse (z.B. Kostensenkungsmassnahmen) ausgelöst werden sollen.
Struktur gezielt für Wirkung nutzen
Auch die Platzierung von Botschaften beeinflusst deren Wirkung erheblich. Laut dem Primacy- und Recency-Effekt bleiben Inhalte am Anfang und Ende eines Berichts besser im Gedächtnis als solche in der Mitte. Für das Reporting bedeutet dies: Eine Management Summary zu Beginn fasst die wichtigsten Punkte verständlich zusammen und nutzt den Primacy-Effekt. Eine gezielte Wiederholung der zentralen Aussagen am Ende der persönlichen Präsentation aktiviert den Recency-Effekt und unterstützt die nachhaltige Verankerung der Inhalte. Gezielte Strukturierung verbessert so die Aufnahme und Erinnerung der entscheidenden Botschaften.
Verstärkende Begriffe in der Botschaft oder die Platzierung von Botschaften sind nur zwei Beispiele wie Storytelling-Elemente im Reporting klug eingesetzt werden können. Weitere Beispiele reichen von der Logik einer Botschaft, über die visuelle Fokussierung bis hin zur Einbettung von Zahlen in einen Kontext für Präsentationen.
Fazit
Künstliche Intelligenz verändert das Reporting. Doch je stärker der Reporting-Prozess automatisiert wird, desto wichtiger wird die kommunikative Kompetenz der Controllerin oder des Controllers. Ein zum Reporting passendes Storytelling hilft, Zahlen in verständliche und erinnerbare Botschaften zu übersetzen - und wird somit zum Erfolgsfaktor für das Controlling der Zukunft.
Literaturhinweise
Negrete, A. (2005). Facts via fiction: stories that communicate science. In Nigel Sanitt, Motivating Science: Science Communication from a Philosophical, Educational and Cultural Perspective. Pantaneto Press. S. 95-102.
International Controller Verein (2023). Grundsatzposition des International Controller Verein (ICV) und der International Group of Controlling (IGC), abgerufen am 27.04.2025 unter:
https://icv-controlling.com/wp-content/uploads/2024/12/Grundsatzposition_DEUTSCH.pdf
Murdoch, B. B. (1962). The serial position effect of free recall. Journal of Experimental Psychology, 64(5), S. 482-488.