RECHT SO!

Rückkehr eines Verschollenen

23. März 2023

Ist eine Person in hoher Todesgefahr verschwunden oder ist sie seit Jahren mit unbekanntem Aufenthalt abwesend, kann sie vom Gericht für verschollen erklärt werden. Die Person gilt dann als verstorben und es können die aus ihrem Tode abgeleiteten Rechte geltend gemacht werden (etwa die Aufhebung einer Ehe oder Ansprüche auf die Erbschaft). Die Verschollenerklärung kann das Gericht nach fünf Jahren nachrichtenloser Abwesenheit aussprechen.

So weit so gut, aber was passiert eigentlich, wenn eine Person Jahre nach ihrer Verschollenerklärung wieder auftaucht? Allen bekannt dürfte Herr Stiller aus dem gleichnamigen Roman von Max Frisch sein. Herr Stiller kam nach sechs Jahren unbekannten Aufenthalts wieder in die Schweiz zurück und behauptete an der Grenze erst noch: «Ich bin nicht Stiller!» Gibt's das auch im echten Leben? Ja, so geschehen im Jahr 1982, als Herr K. nach etlichen Jahren wieder auftauchte. Er wurde seit 1970 für verschollen erklärt und seine Frau erhielt daraufhin eine Witwenrente. Nun, das Gericht hob nach seinem Auftauchen die Verschollenheit von Herrn K. wieder auf und postwendend verfügte die zuständige Ausgleichskasse gegenüber Frau K. die vollständige Rückzahlung sämtlicher von ihr in all den Jahren erhaltenen Witwenrenten. Das wäre teuer gewesen, hätte nicht das Bundesgericht erkannt, dass Frau K. bis zum gerichtlichen Aufhebungsentscheid bezüglich der Verschollenheit als Witwe zu geltend habe und nicht zur Rückzahlung der empfangenen Renten verpflichtet sei. Ein Tipp: Ziehen Sie es wie Herr Stiller in Erwägung, für einige Jahre aus dem hiesigen Leben zu verschwinden, dann kommen Sie doch vor Ablauf von fünf Jahren wieder zurück. Sie ersparen sich und Ihren Verwandten damit viel bürokratischen Ungemach.

Urteil des Bundesgerichts vom 6. August 1984 (BGE 110 V 248)
Max Frisch, Stiller, Frankfurt am Main 1954
Art. 38 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkung der Verschollenerklärung)

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