CONTROLLING
Die Zukunft der Finanzorganisation und der CFO-Rolle:
Vom Finanzverwalter zum Chief Value Officer
Wie entwickelt sich die Finanzorganisation der Zukunft? Welche Aufgaben bleiben, welche verschwinden – und welche neuen Kompetenzen werden entscheidend sein? Fünf Thesen, abgeleitet aus Beobachtungen in Kundenprojekten und den Ergebnissen der CFO-Studie von Horváth, zeigen, wie Unternehmen und ihre CFOs den Wandel aktiv gestalten und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern können.
Die Rolle der CFOs und ihrer Finanzorganisationen hat sich über die letzten Jahrzehnte den Marktanforderungen angepasst. Von dem reinen Fokus auf Buchführung über die Kapitalmarkt- und Shareholder-Value-Orientierung der 1990er bis hin zur Rolle als Treiber der digitalen Transformation ab dem Millennium. Heute steht die Finanzfunktion erneut vor einem strukturellen Wendepunkt, geprägt von Effizienz- und Wirkungsorientierung, verschärfter Regulierung sowie geopolitischer Unsicherheit.
Aus heutiger Sicht vereint die Finanzfunktion vier Kernrollen: Sicherstellung der finanziellen Integrität, Performance Management, Risikomanagement und Business-Partnering. Doch wie die aktuelle CFO-Studie von Horváth zeigt, wandeln sich die Rollen weiter: Aktuell priorisieren die CFOs Digitalisierung und die Nutzung von GenAI (60%), die Positionierung des Finanzbereichs als attraktiver Arbeitsplatz (54%) und Stärkung des Finanzbereichs als Business Partner (40%), und das kurz- wie auch mittelfristig (Horváth, 2025).
Abbildung 1: Aktuelle Fokusfelder der Finanzorganisationen. Auszug aus der Horváth CFO-Study 2025.
Neue Technologien wie GenAI oder Advanced Analytics verändern die Aufgabenteilung im Finanzbereich grundlegend. Systeme erstellen Berichte, kommentieren Abweichungen, generieren Forecasts und beantworten komplexe Fragen durch Chat Bots und KI-Agenten. Das eröffnet enorme Effizienzpotenziale, wirft aber die zentrale Frage auf: Wie sieht die Finanzorganisation von morgen aus? Welche Aufgaben bleiben bestehen? Und welche Kompetenzen werden neu benötigt?
Aus wiederkehrenden Beobachtungen in Kundenprojekten und den Ergebnissen unserer CFO-Studie leiten wir fünf Thesen ab, die Aufgaben der Finanzfunktion und der CFOs für die nächsten Jahre verändern.
These 1: Vom Controller zum Value-Creator – die CFO-Rolle wird zum Chief Value Officer (CVO).
Die CFOs der Zukunft werden Unternehmenswert nicht nur berichten, sondern ihn auch aktiv gestalten und steuern. Als Chief Value Officers verbinden CFOs Strategie, Wertschöpfung, Daten- und Digitalkompetenzen, Business Partnering und die Steuerung von Ökosystemen. Zugleich agieren sie in einem Umfeld von wachsendem Effizienzdruck innerhalb der gesamten Organisation.
Wiederkehrende Prozesse wie Abschluss, Konsolidierung und Standardberichte werden weitgehend automatisiert. Dadurch verlagert sich der Fokus der Finanzorganisation weiter auf zukunftsgerichtete Analysen, Szenario-Modellierung und die aktive Steuerung von Werttreibern. Die Finanzfunktion entwickelt sich zu einem «neuen Betriebssystem» des Unternehmens: schlank, agil, daten- und kompetenzgetrieben sowie eng im Tagesgeschäft verankert. Es geht nicht um die Digitalisierung des alten Modells, sondern um die Neuarchitektur der Arbeitsteilung: was die Maschine übernimmt, welche Aufgaben (oder Teile davon) nach wie vor von Menschen in der Finanzorganisation ausgeführt und verantwortet werden, und wo das Geschäft eingebunden wird.
Dieser Modus erfordert jedoch neue Kompetenzen. Die künftigen Finanzteams werden zu «Value Navigators», die finanzielle, digitale und strategische Fähigkeiten verbinden. Sie müssen eine duale DNA entwickeln, die sowohl fachliche Integrität als auch Business-Performance enthält. Die Messgrössen verschieben sich von Kosteneffizienz-KPIs zu Wertschöpfungs-KPIs, wie beispielsweise «Time-to-Insight» oder «Decision Lead-Time». Die zentrale Herausforderung liegt jedoch in der Umsetzung: Viele Unternehmen verfügen heute noch nicht über die nötigen Daten, Systeme und Kompetenzen. Zudem entsteht ein Zielkonflikt zwischen kurzfristigen Ergebniserwartungen und langfristiger Wertschöpfung, den die CVO-Funktion ausbalancieren muss.
These 2: Finance entwickelt sich vom Zahlenlieferanten zum strategischen Partner – menschliche Expertise wird durch digitale Intelligenz ergänzt.
Die Finanzorganisation steht vor einem veränderten Erwartungsprofil. Erwartet werden kontinuierliche Echtzeiterkenntnisse, prädiktive Analysen und klare Handlungsoptionen. Genau hier setzen KI-gestützte Modelle wie GenAI und Advanced Analytics ein. Diese digitalen Assistenten helfen dabei, Routineaufgaben zu automatisieren, riesige Datensätze zu analysieren und Erkenntnisse schnell und tagesaktuell zu generieren, was früher Wochen dauerte.
Somit entwickeln sich die Finance Business Partner, als Teil der Finanzorganisation, zu hybriden Akteuren, in denen Mensch und Maschine zusammenwirken. Sie sind versiert im Business-Kontext, können Erkenntnisse interpretieren, die richtigen Fragen stellen und arbeiten mit den digitalen Assistenten zusammen, um Entscheidungen voranzutreiben. Zudem agiert die gesamte Organisation proaktiv, nutzt prädiktive und präskriptive Analytics, Szenario-Modellierung und Daten-visualisierung, um gemeinsam mit den Business Units Strategien zu entwickeln, statt nur auf Anfragen zu reagieren. Statt fixer Perioden dominiert eine laufende, bedarfsorientierte Steuerung mit On-Demand-Einblicken.
Die zentrale Herausforderung: Der Mindset-Wechsel von Finance als «Verwalter» zu Finance als «Value-Creator» und «Business-Ally». Der Finance Business Partner muss fragen «Was treibt den Unternehmenswert?», denn die Frage «Warum sind Abweichungen entstanden?» kann durch den Einsatz der bereits erwähnten KI-Tools auf automatisierte Weise beantwortet werden. Zudem erfordert KI-gestütztes Partnering hohe Datenqualität, Transparenz, Modell-Governance und Vertrauen der Anwender.
Abbildung 2: End-to-End-Logik des Business Partnerings von Governance über Geschäftsservices und Data Science bis zum Business Partner als Werthebel.
These 3: Global Business Services entwickelt sich von einer transaktionalen Funktion zu einem echten Treiber der Transformation.
Historisch wurden Global Business Services (GBS) für Skalierung, Effizienz und Kostenreduktion gebaut: zentralisierte Abwicklung von Transaktionen (z.B. Buchhaltung oder IT) zur Nutzung von Skaleneffekten. Doch viele Unternehmen haben inzwischen einen Punkt erreicht, an dem weitere Kosteneinsparungen kaum noch möglich sind. Die aktuelle Horváth CFO-Umfrage zeigt, dass weniger als die Hälfte der Unternehmen heute glaubt, dass ihre GBS über Kosteneffizienz hinaus einen Mehrwert generieren.
Das GBS-Modell entwickelt sich von «run the business» zu «change the business». Erste Organisationen positionieren GBS bereits heute als strategischen Enabler, der Analytics, Automatisierung und digitale Fähigkeiten integriert und auch nicht-traditionelle Bereiche wie die Vertriebsabwicklung oder die Produktinnovation einbezieht. GBS wird zum Transformationsmotor, der End-to-End-Prozesse neu ausrichtet, KI implementiert und die Weiterentwicklung des Geschäftsmodelles unterstützt.
Ein GBS 2.0 zu entwickeln, ist jedoch anspruchsvoll. Es bedeutet, das Cost-Center-Denken zu verlassen und echte Wertschöpfung zu generieren. Von Anfang an digital, global und wertorientiert gedacht, und nicht als isolierte Support-Silo des Shared Service Center-Modells der 2000er Jahre. GBS-Mitarbeitende müssen sich von Prozessausführern zu Business Partnern entwickeln, die Innovation vorantreiben und GBS als «Herz der Organisation» in die Geschäftsstrategie und die Finance-Transformation einbetten.
These 4: Traditionelle Finance-Skills bleiben essenziell – werden jedoch anders angewendet.
Bis 2030 werden bis zu 50% der heutigen transaktionalen Finance-Aufgaben automatisiert (Gartner, 2025). Doch der traditionelle Finanzprofi verschwindet nicht, sondern entwickelt sich weiter. In den meisten Gesprächen mit CFOs dominieren Themen wie Technologie, Daten und Effizienz, doch der eigentliche Differenzierungsfaktor bleiben die Menschen. Traditionelle Finance-Skills sind weiterhin notwendig, aber alleine nicht mehr ausreichend. Die Zukunft erfordert ein hybrides Set an Fähigkeiten mit einerseits fachlicher Tiefe und digitaler Kompetenz, andererseits strategischen Business-Partnering-Fähigkeiten wie Storytelling oder das konstruktive Hinterfragen des Business.
Da transaktionale Aufgaben zunehmend von Technologie und KI übernommen werden, arbeiten Finance-Teams kleiner und primär an strategischen Aufgaben: Szenarioplanung, Erklärung des «Warum» hinter den Zahlen und Sicherstellung von Wertschöpfung über die gesamte Organisation.
Um diese Vision zu erreichen, müssen Finance-Leader bereits heute den Grundstein legen. Strategic Workforce Planning wird entscheidend: Die Analyse der aktuellen Belegschaft und die Entwicklung eines Zielbilds mit benötigten Kompetenzen bilden die Grundlage für Talent-Strategien wie Up- und Reskilling – in enger Zusammenarbeit mit HR. Finance muss die Silo-Mentalität ablegen und eine agile, kollaborative Kultur fördern. Flexible Karrierepfade mit Rotationen zwischen verschiedenen Rollen und eine Kultur, die neue Beitragsformen wertschätzt, werden zum Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Talente.
Abbildung 3: Rollenbasierte Finanzorganisation mit zentraler Governance, Business-Partner- Organisation, Global Business Services und Data-Science-Center.
These 5: Transformation ist und bleibt ein Dauerzustand – Continuous Learning wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Die Transformation ist kein einmaliges Projekt, sondern ein Dauerzustand. Die Vorstellung, dass Unternehmen nach einer Transformationsphase in einen stabilen Zustand zurückkehren, ist längst überholt. CFOs müssen akzeptieren, dass die Neuerfindung von Strategien, Steuerungsmodellen, Planungszyklen, Management Reporting und Performance-Dialogen nie abgeschlossen sein wird. Die Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen, sich anzupassen und zu verbessern, wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Somit müssen die Instrumente der Finanzorganisation regelmässig hinterfragt und angepasst werden. Was heute funktioniert, kann morgen bereits veraltet sein. Der CFO wird zur treibenden Kraft in der Transformation der Finanzfunktion. Er muss eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung etablieren und sicherstellen, dass die Finanzfunktion lernfähig bleibt. Denn die Kompetenzen verschieben sich von Stabilität zu Agilität, Flexibilität und Lernbereitschaft.
Die zentrale Herausforderung dabei ist, dass Mitarbeitende erschöpfen, wenn Veränderungen nie enden. Zudem bindet eine permanente Transformation Ressourcen, denn wenn die Finanzfunktion ständig an Verbesserungen arbeitet, bleibt weniger Kapazität für das Tagesgeschäft. Es empfiehlt sich somit, Transformationsinitiativen zu priorisieren und in überschaubaren Wellen zu implementieren, um Überlastung zu vermeiden und gleichzeitig das Momentum aufrechtzuerhalten.
Die Finanzorganisation der Zukunft gestalten: Konkrete Handlungsempfehlungen
Die Umsetzung muss schrittweise erfolgen und CFOs haben jetzt die Chance, diese Transformation aktiv zu gestalten mit Massnahmen, die sowohl kurzfristige Erfolge als auch langfristige Weichenstellungen ermöglichen.
(START) Diese Initiativen bieten sich an:
- Eine Capability-Landkarte für einen Horizont von ca. fünf Jahren schafft Klarheit über benötigte Kompetenzen: Echtzeit-Analysen, Ökosystem-Finanzsteuerung, strategische Partnerschaft und KI-unterstützte Entscheidungsfindung.
- Pilotteams für «Finance Business Partner und Analytics» kombinieren Planungs- und Steuerungskompetenzen mit Datenanalyse und KI-Werkzeugen. Sie werden zu Leuchttürmen für die neue Art der Geschäftspartnerschaft und liefern wertvolle Erkenntnisse über benötigte Fähigkeiten und Prozesse.
- Weiterbildungen in Daten-Storytelling, Szenariomodellierung und Geschäftsverständnis bereiten die gesamte Finanzorganisation auf die neuen Anforderungen vor.
- GenAI-Piloten bei Abschlusstätigkeiten, automatisierter Berichtskommentierung und Prognosen zeigen das Potenzial auf. Datenqualität bleibt dabei das entscheidende Fundament.
(STOP) Diese Praktiken verlieren an Relevanz:
- Schrittweise Anpassungen der Organisationsstruktur führen selten zur gewünschten Transformation. Radikales Neudenken der benötigten Fähigkeiten verspricht mehr Erfolg.
- Manuelle Berichtsrückstände binden wertvolle Ressourcen. Der Übergang zu Automatisierung, reduzierte Berichtskomplexität und Steuerung nach Abweichungen setzen Kapazität frei.
- GBS als reine Transaktionsfunktion zu verstehen, verhindert die Entfaltung seines Potenzials strategischer Befähiger.
(IMPROVE) Diese Bereiche verdienen besondere Aufmerksamkeit:
- Das GBS-Betriebsmodell profitiert von klar definierten Leistungsebenen und engerer Integration in die Geschäfts-strategie.
- Die Rolle des Finance Business Partners gewinnt durch Kompetenzrahmen für digitale Fähigkeiten, Geschäftspartnerschaft und Veränderungsführung an Schärfe.
- Wertschöpfungsorientierte Kennzahlen wie «Zeit bis zur Erkenntnis» oder «Entscheidungsvorlaufzeit» reflektieren den Beitrag von Finance besser als traditionelle Kosteneffizienz-Kennzahlen.
- Das digitale Rückgrat sollte als integriertes System für Echtzeit-Daten und KI-gestützte Entscheidungsfindung verstanden werden.
Abbildung 4: Organisationsdesign Finance; bevorzugte Gestaltungsprinzipien.
Fazit
Die zentrale Frage ist nicht das Ob, sondern das Wie – und von wem der Wandel geführt wird. Denn die Differenz in Gestaltungswillen und Umsetzungstempo wird künftig die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Organisationen bestimmen.

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