HRM2
Bilanzierung von Kulturgütern
Kulturgüter sind Vermögenswerte mit einzigartiger Bedeutung und oft unbestimmter Lebensdauer. Ihre Erfassung und Bewertung im öffentlichen Rechnungswesen erfordert besondere Sorgfalt. Der Beitrag erläutert, wie das Schweizerische Rechnungslegungsgremium für den öffentlichen Sektor (SRS-CSPCP) die Frage zur Bilanzierung von Kulturgütern nach HRM2 beantwortet und damit Transparenz und Verlässlichkeit gewährleistet werden können.
Kulturgüter stellen im öffentlichen Rechnungswesen eine Vermögenskategorie dar, die in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung ist. Hierzu zählen nicht nur historische Rathäuser, Burgen, Klöster oder Kirchen, sondern auch archäologische Funde, naturkundliche Sammlungen, Kunstwerke, Denkmäler, Archive und Bibliotheken. Sie prägen das kulturelle Gedächtnis und erfüllen zentrale Funktionen. Aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, ihrer häufigen Unveräusserlichkeit sowie ihrer sehr langen, teilweise unbestimmten oder unbestimmbaren Nutzungsdauern stellen sie das Rechnungswesen vor besondere Herausforderungen. Die Frage, wie Kulturgüter bilanziert werden, ist nicht nur technischer Natur, sondern berührt unmittelbar auch die Frage nach Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Rechenschaftspflicht im Umgang mit öffentlichem Vermögen.
Das SRS-CRPCP hat auf seiner Internetseite im Bereich der häufig gestellten Fragen (FAQ) am 21. Oktober 2025 veröffentlicht, wie die Bilanzierung von Kulturgütern erfolgt. Die nachfolgenden Ausführungen fassen diese FAQ zusammen. Weitere Details finden sich hier.
Definition von Kulturgütern
Kulturgüter sind Vermögenswerte, die durch die folgenden Eigenschaften charakterisiert sind:
- Sie sind selten oder bedeutsam in Bezug auf ihre archäologischen, architektonischen, landwirtschaftlichen, künstlerischen, kulturellen, umweltbezogenen, historischen, wissenschaftlichen oder technologischen Merkmale.
- Sie werden über lange Zeiträume gehalten und zum Nutzen der aktuellen und zukünftigen Generationen bewahrt.
- Häufig bestehen Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung oder Veräusserung.
- Sie sind grundsätzlich unersetzlich.
- Sie haben oft eine lange und teilweise auch unbestimmte Nutzungsdauer.
Typische Vermögenswerte, die in der Regel die Merkmale von Kulturgütern im Verwaltungsvermögen erfüllen, sind historische Gebäude, Denkmäler, Museumssammlungen, Kunstwerke sowie Kunst und Bau1.
Rahmenbedingungen
Diese Charakteristika führen dazu, dass Klassifikation und Bewertung stets im Kontext der Aufgabenerfüllung und des Rechnungslegungsziels zu sehen sind. Auch der International Public Sector Accounting Standard® (IPSAS) 452 «Sachanlagen» greift diese Eigenschaften auf, indem er Kulturgüter ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Sachanlagen einbezieht und eine differenzierte Behandlung zwischen operativer und finanzieller Zweckbestimmung vorsieht.
Aufgrund der zuvor genannten Eigenschaften von Kulturgütern, stellt sich nun die Frage, was bei der Aktivierung von Kulturgütern im öffentlichen Sektor in der Schweiz zu beachten ist und wie deren Nutzungsdauer festgelegt werden und wie Folgeaufwendungen (z.B. Generalinstandsetzungen) zu behandeln sind. Die kürzlich veröffentlichte FAQ des SRS-CSPCP gibt eine Empfehlung zur Bilanzierung von Kulturgütern im Verwaltungs- und Finanzvermögen ab, die die bestehenden Regelungen im HRM2 konkretisiert. Kulturgüter im Verwaltungsvermögen dienen unmittelbar der öffentlichen Aufgabenerfüllung,3 etwa als Museumsobjekte oder Denkmäler. Kulturgüter im Finanzvermögen umfassen hingegen jene Vermögenswerte, die nicht unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen4 und somit primär der Wertanlage oder Ertragserzielung zugeordnet werden. Diese Unterscheidung beeinflusst die Bewertungsmethode und ist daher für die Rechnungslegung von zentraler Bedeutung.
Bilanzierung von Kulturgütern im Verwaltungsvermögen
Kulturgüter im Verwaltungsvermögen, die die Definition einer Sachanlage5 erfüllen, werden gemäss Fachempfehlung (FE) 12.4 «Anlagegüter und Anlagenbuchhaltung» beim Erstzugang zum Anschaffungswert unter Berücksichtigung geltender Aktivierungsgrenzen6 bilanziert, d.h. die Bilanzierung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen von Sachanlagen im HRM2. Erfolgt der Zugang ohne Kosten, beispielsweise durch Schenkung, wird stattdessen zum Verkehrswert zum Zeitpunkt des Zugangs bewertet.7 Lässt sich der Verkehrswert im Zeitpunkt des Zugangs nicht verlässlich bestimmen, erfolgt keine Bilanzierung.
Es gelten ebenfalls die Regelungen nach HRM2 zur Investitionsrechnung gemäss FE 10 «Investitionsrechnung».
Beispiel: Wird einem Museum eine umfangreiche Sammlung kostenlos überlassen, kann die Bewertung durch externe Gutachten oder durch Heranziehung von vergleichbaren Markttransaktionen erfolgen. Sind diese jedoch nicht verfügbar oder nicht belastbar, erfolgt keine Bilanzierung
In der Folgebewertung werden diese Vermögenswerte ebenfalls planmässig über die Nutzungsdauer abgeschrieben.8 Die Definition der Nutzungsdauer von Kulturgütern ist oft schwierig, da diese Vermögenswerte über einen langen Zeitraum genutzt werden können (z.B. über 100 Jahre und noch länger), häufig unersetzlich sind und ihr Wert im Laufe der Zeit sogar steigen kann. Die Nutzungsdauer sollte sich deshalb an Erfahrungswerten alternativer Anlagen orientieren, beispielsweise bei einer betrieblichen Nutzung eines historischen Gebäudes als Verwaltungsgebäude.
Werden Ersatzinvestitionen9 (z.B. das Dach) oder Generalinstandsetzungen gemäss Fachempfehlungen 06 und 12 aktiviert, kann die Nutzungsdauer dieser Investitionen der Dauer entsprechen, bis die nächste Ersatzinvestition oder Generalinstandhaltung erforderlich ist. Dieser Ansatz ermöglicht, den Wert der Kulturgüter zu erhalten und die bilanzierten Werte für Kulturgüter in der Bilanz unverändert zu plausibilisieren.
Eine unbestimmte Nutzungsdauer ist gemäss FAQ nur anzunehmen, sofern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Zeitraum des Nutzungspotenzials: Der Zeitraum, über den das Kulturgut weiterhin Nutzungspotenzial oder zukünftige wirtschaftliche Vorteile bereitstellt, wird unendlich fortgesetzt. Der kulturelle Wert des Vermögenswerts für zukünftige Generationen ist nachweisbar.
- Erhaltung: Es werden Massnahmen ergriffen, um das Kulturgut zu erhalten (beispielsweise Gemälde vor Umwelteinflüssen schützen).
- Nutzung: Die Nutzung des Kulturgutes führt nicht zu physischem Verschleiss (beispielsweise Gemälde).
In diesem Fall erfolgt keine jährliche Abschreibung; stattdessen ist jährlich zu überprüfen, ob eine dauernde Wertminderung gemäss der Auslegung 6B «Abschreibung» (Auslegung zu den Fachempfehlungen 04 und 06) vorliegt. Sofern dies der Fall ist, muss eine ausserplanmässige Abschreibung vorgenommen werden. Dies verhindert eine rein schematische Abschreibung von Vermögenswerten, deren Wert für die Gesellschaft über Generationen erhalten bleibt.
Im Falle einer dauernden Wertminderung, ist der bilanzierte Wert sofort wertzuberichtigen,10 beispielsweise wenn ein Gemälde durch Brand zerstört oder schwer beschädigt wurde.
Wird das Nutzungspotenzial des Kulturgutes, das ausserplanmässig abgeschrieben wurde, wiedererlangt, ist eine Wertaufholung gemäss der Auslegung 6B «Abschreibungen» vorzunehmen.
Bilanzierung von Kulturgütern im Finanzvermögen
In seltenen Fällen können Kulturgüter auch dem Finanzvermögen zugeordnet sein.
Die Bewertung der Anlagen im Finanzvermögen erfolgt beim Erstzugang zum Anschaffungswert,11 d.h. analog zur Bewertung des Erstzugangs im Verwaltungsvermögen. Erfolgt der Zugang ohne Kosten (beispielsweise durch Schenkung) wird zum Verkehrswert zum Zeitpunkt des Zugangs bewertet.12 Folgebewertungen erfolgen zum Verkehrswert am Bilanzstichtag.13
Fazit
Kulturgüter sind in der Rechnungslegung anspruchsvoll in der Behandlung, jedoch keineswegs unbilanzierbar. Die Vorgaben von IPSAS 45 schaffen eine international konsistente Grundlage, indem Kulturgüter als Sachanlagen erfasst werden. Die in der FAQ des SRS-CSPCP beschriebene Bilanzierung ist IPSAS-konform.
Durch die in der FAQ beschriebene Bilanzierung wird insbesondere die Forderung des HRM2 an die Rechnungslegung erfüllt, ein Bild des Finanzhaushalts abzugeben, welches möglichst weitgehend der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entspricht (vgl. HRM2 FE 2.1). Die FAQ orientiert sich an den allgemeinen Bilanzierungsregelungen von Sachanlagen und leistet einen Beitrag zur weiteren Harmonisierung der Rechnungslegung im öffentlichen Sektor und ermöglicht eine sachgerechte Abbildung des kulturellen Erbes in den öffentlichen Abschlüssen. Dies stärkt nicht nur die Rechnungslegungsqualität, sondern unterstreicht auch die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen.
1 Teilweise als Kunst am Bau bezeichnet.
2 https://www.ipsasb.org/publications/ipsas-45-property-plant-and-equipment.
3 Vgl. HRM2 FE 11.8.
4 Vgl. HRM2 FE 11.10.
5 Materielle Anlage gemäss Fachempfehlung 11 «Bilanz».
6 Vgl. HRM2 FE 12.13.
7 Vgl. HRM2 FE 12.12.
8 Vgl. HRM2 FE 12.4.
9 Unabhängig, ob Erstzugang des Kulturguts als Anlage geführt wird oder nicht.
10 Vgl. HRM2 FE 06.1 «Wertberichtigungen» in Verbindung mit FE 12.18.
11 Vgl. HRM2 FE 12.3.
12 Vgl. HRM2 FE 12.9.
13 Vgl. HRM2 FE 12.3.
Praxisbeispiele
Historisches Rathaus:
Wird ein Rathaus von 1890 als Verwaltungsgebäude genutzt, sind die Anschaffungskosten nicht mehr ermittelbar, und das Gebäude ist oft wertmässig nicht im Verwaltungsvermögen erfasst oder hat regelmässig einen Restbuchwert von Null. Generalsanierungen von Dach oder Haustechnik im Jahr 2025 werden separat aktiviert und über die Nutzungsdauer dieser Gebäudebestandteile separat abgeschrieben.
Gemälde im Museum:
Wird vom Bund kostenlos einem Museum ein Gemälde ins Verwaltungsvermögen übergeben, erfolgt die Erfassung beim Museum zum Verkehrswert. Da keine physische Abnutzung vorliegt und konservatorische Massnahmen den Erhalt sichern, wird von einer unbestimmter Nutzungsdauer ausgegangen. Es erfolgt keine planmässige Abschreibung, sondern es ist eine jährliche Prüfung auf dauernde Wertminderung vorzunehmen.
Kunstwerk als Finanzanlage:
Nach der Erfassung im Finanzvermögen zum Anschaffungspreis erfolgt die Folgebewertung zum Verkehrswert. Marktpreisschwankungen schlagen sich unmittelbar in der Bilanz nieder. Dies verlangt eine konsistente Bewertungspolitik.

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