XBRL
«Schweizer Unternehmen müssen die digitale Sprache der Welt sprechen»
XBRL ist die digitale Sprache der Unternehmensberichterstattung: präzise, vergleichbar und maschinenlesbar. Beim Event «Benefits of structured data in AI use cases» in Zürich sprach John Turner – CEO von XBRL International – über Standards, Datenqualität und die Zukunft strukturierter Offenlegung.
XBRL (eXtensible Business Reporting Language) ist der internationale Standard für die digitale Übermittlung von Unternehmensdaten, insbesondere für Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte. Anders als PDF oder Excel basiert XBRL auf digitalen Etiketten («Tags»), die Zahlen und Texte mit Einheit, Zeitraum und Kontext versehen. Dadurch werden Berichte maschinenlesbar, direkt analysierbar und unabhängig von Sprache oder Layout vergleichbar.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Daten können systemübergreifend übertragen und ohne manuelle Nachbearbeitung ausgewertet werden. Einheitliche Begriffe (XBRL-Taxonomien) und Regeln sorgen für Konsistenz über Ländergrenzen hinweg, verbessern die Datenqualität und beschleunigen Entscheidungen.
XBRL ist weltweit etabliert. In den USA ist es seit 2009 Pflicht für börsennotierte Unternehmen. In Europa gilt es für Abschlüsse nach IFRS (International Financial Reporting Standards) im Rahmen der ESEF-Verordnung (European Single Electronic Format) und künftig auch für Nachhaltigkeitsberichte gemäss CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Auch Länder wie Japan, Südkorea, Indien und China setzen XBRL für regulatorische Zwecke ein. Insgesamt ist der Standard in über 65 Ländern im Einsatz.
Beim Event «Benefits of structured data in AI use cases» in Zürich – organisiert vom Verein XBRL Schweiz – präsentierte John Turner, CEO von XBRL International, die neuesten Entwicklungen rund um XBRL. Er betonte die zunehmende Rolle von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erstellung, Analyse und Validierung von Berichten sowie die Synergien zwischen KI und strukturierten Daten.

Drei Fragen an John Turner:
1. Wie beurteilen Sie den Stand und die Perspektiven für XBRL-basierte Berichterstattung in der Schweiz?
John Turner: Die Schweiz hat wichtige Schritte in Richtung maschinenlesbarer Klimaberichterstattung unternommen. Dennoch braucht es mehr Harmonisierung, Konsistenz und Entschlossenheit, damit Schweizer Unternehmensdaten international zugänglich, analysierbar und wettbewerbsfähig sind. Der Weg dorthin führt über international abgestimmte Berichtsstandards in Kombination mit dem Inline-XBRL-Format. Dieses ermöglicht individuelle, gestalterisch hochwertige Berichte, während die digitalen Tags zugleich sicherstellen, dass die zugrunde liegenden Daten strukturiert und vergleichbar zugänglich sind.
Langfristig sollte die digitale Offenlegung sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Informationen umfassen. Schweizer Unternehmen müssen die digitale Sprache der Welt sprechen.
Für Investoren und andere Endnutzer sollten Schweizer Berichte als «einzige digitale Version der Wahrheit» bereitgestellt werden. Das bedeutet: Sie werden im Unternehmen digital getaggt, so dass Informationsdienstleister sie unmittelbar verarbeiten und an Investoren weitergeben können. Auch FinTechs und Investoren selbst sollen direkt auf diese Daten zugreifen können.
Die Alternative wären PDF-Dokumente, die individuell interpretiert werden müssen – mit dem Ergebnis zahlreicher «Versionen der Wahrheit», was die Vergleichbarkeit erheblich erschwert.
Je konsistenter die Berichterstattung wird, desto besser. Die Anforderungen anderer Länder, insbesondere ESRS (European Sustainability Reporting Standards), ISSB (International Sustainability Standards Board) und GRI (Global Reporting Initiative), werden lokale Präferenzen beeinflussen – und die Erfahrungen im Ausland werden es vielen Schweizer Unternehmen erleichtern, XBRL-Berichte zu erstellen.
Ein Übergang zur digitalen Offenlegung erfordert stets eine Eingewöhnungsphase. Die erste Einreichung erfordert zwar sorgfältige Planung und anfänglich mehr Aufwand, doch alle folgenden werden deutlich einfacher. Der Nutzen überwiegt den Aufwand bei Weitem.
2. Welche internationalen Erfahrungen können für die Schweiz besonders wertvoll sein?
John Turner: Digitalisierung ist ein Veränderungsprozess. Regulierungsbehörden sollten von Beginn an alle relevanten Akteure einbeziehen, klare Ziele formulieren und langfristige Unterstützung bieten. Entscheidend ist der Aufbau einer digitalen Denkweise sowie eines gemeinsamen Verantwortungsbewusstseins zwischen Erstellern, Prüfern und Nutzern. Aktive Feedbackschleifen helfen, Umsetzung und Weiterentwicklung sicherzustellen.
Ein digitales Mandat sollte XBRL-Offenlegungen als primäre und offizielle Fassung etablieren. Werden PDFs zuerst veröffentlicht, konzentrieren sich Datenanbieter auf diese Version – was den Nutzen strukturierter Daten erheblich schmälert.
Hohe Datenqualität ist zentral. Softwareentwickler und Aufsichtsbehörden sollten Validierungsprüfungen integrieren, damit Fehler vor der Einreichung erkannt und behoben werden können. Ebenso wichtig ist der Zugang zu den Daten: Sie sollten offen, frei und maschinenlesbar verfügbar sein – idealerweise über eine zentrale Plattform mit API-Schnittstellen für automatisierte Analysen.
Die Schweiz wird ihren eigenen Weg gehen. Internationale Best Practices und Leitlinien können diesen Weg jedoch deutlich erleichtern.
3. Welche Rolle spielt KI bei der Weiterentwicklung von XBRL und umgekehrt?
John Turner: Digitale Berichterstattung ist wichtiger denn je, da KI beginnt, ihr volles Potenzial zu entfalten. Hochwertige, strukturierte Eingabedaten sind dabei entscheidend: Fehlen sie, entstehen Fehlinterpretationen oder sogenannte «Halluzinationen». Unstrukturierte Formate wie PDFs zwingen jede KI, Daten individuell zu deuten – was zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. XBRL hingegen liefert eine einzige, verlässliche Datenquelle, auf die alle Modelle zugreifen können.
Für Unternehmen bedeutet das: Sie behalten die Kontrolle über ihre Daten, weil diese an der Quelle eindeutig definiert sind. KI kann diese Informationen effizient analysieren und daraus neue Erkenntnisse gewinnen – etwa für Investoren, Analysten oder Aufsichtsbehörden.
Zugleich vereinfacht KI die Erstellung digitaler Berichte erheblich. Künftig werden KI-Assistenten viele Tagging-Schritte automatisiert übernehmen. Fachleute können sich dadurch auf inhaltlich anspruchsvolle Entscheidungen konzentrieren – stets unter Aufsicht des Managements.
KI verändert grundlegend, wie wir mit Daten interagieren. Chatbots und Analysemodelle ermöglichen es bereits heute, komplexe Datensätze mit einfachen Fragen zu erkunden. XBRL bildet dafür das stabile Fundament: Es stellt verlässliche, überprüfbare Informationen bereit – ganz gleich, was kommt.

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