SOZIALVERSICHERUNGEN

Auch Vereine haften für ausstehende AHV-Beiträge

Die Arbeitgeberhaftung nach AHVG Art. 51 und 52 betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch Vereine. Wer Personal beschäftigt – selbst im kleinen Rahmen – trägt Verantwortung für die korrekte Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Bei Zahlungs- oder Meldeversäumnissen können auch ehrenamtliche Vorstandsmitglieder persönlich haftbar gemacht werden.

 

In der Praxis wird die Arbeitgeberhaftung gemäss AHVG oft unterschätzt oder ist Verwaltungsräten, Gesellschaftern und Geschäftsführern nicht bewusst. Auch Vereine müssen mit rechtlichen Folgen rechnen, wenn Sozialversicherungsbeiträge wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr bezahlt werden können. Ein Verein, der eine Sekretärin gegen Lohn beschäftigt, gilt ebenfalls als Arbeitgeber. Auch ehrenamtliche Vorstandsmitglieder tragen eine Verantwortung und können für Sozialversicherungsbeiträge haftbar gemacht werden.

Wenn ein Arbeitgeber die AHV-Beiträge nicht korrekt abrechnet oder bezahlt, entsteht der AHV (bzw. der Ausgleichskasse) ein finanzieller Schaden. Ein Schaden liegt demzufolge vor, wenn ein Betrieb oder ein Verein Konkurs gegangen ist oder gelöscht wurde. In einem solchen Fall kann die Kasse von den verantwortlichen Personen Schadenersatz verlangen.

Voraussetzungen für den Schadenersatz

Folgende Voraussetzungen müssen für den Schadenersatz erfüllt sein:

  • Die Ausgleichskasse stellt den Schaden fest (z.B. nicht bezahlte Beiträge);
  • Pflichtverletzung (z.B. keine Abrechnungen, verspätete Zahlung);
  • Verschulden (absichtlich und oder grob-fahrlässig);
  • Kausalzusammenhang zwischen Pflicht-verletzung und Schaden.

Ein Arbeitgeber schuldet Schadenersatz, wenn er durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Versicherungsvorschriften einen Schaden verursacht hat. Sind die Arbeitgebenden juristische Personen, haften die für sie handelnden Organe subsidiär. Dies bedeutet, dass diese Organe durch die Ausgleichskasse erst belangt werden dürfen, wenn der Arbeitgeber bzw. die juristische Person die Beiträge nicht mehr bezahlen kann.

Als handelnde Organe gelten jene natürlichen Personen, welche die juristische Person gegen aussen vertreten, sowie Personen, welche Organen vorbehaltene Entscheidungen treffen, oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgeblich beeinflussen.

Für die Beantwortung der Frage, ob eine Person Organstellung hat, betrachtet die Lehre weder den Handelsregistereintrag noch die Unterschriftenregelung als primär entscheidend. Massgeblich für die Beurteilung von Personen, die nicht Verwaltungsmitglieder oder Geschäftsführerinnen bzw. Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und damit keine formellen Organe sind, ist, ob sie tatsächlich Organfunktionen ausüben. Allerdings bedeutet die Ausdehnung der Haftung auf die faktischen Organe nicht, dass die formellen Organe deshalb aus der Haftbarkeit entlassen werden.

Beispiele handelnder Organe:

  • Mitglieder des Verwaltungsrats,
  • Geschäftsführungen,
  • Gesellschafterinnen und Gesellschafter,
  • Vereinspräsidien,
  • Kassierämter, eventuell Vorstandsmitglieder.

Haftungsdauer

Ein Organ haftet so lange, als es den Geschäftsgang beeinflussen kann, sei es durch Handlung oder Unterlassung. Ein Organ haftet auch für die bei seiner Mandatsübernahme bereits verfallenen Beiträge; hingegen haftet es nicht für den der Ausgleichskasse bereits vor seinem Eintritt in den Verwaltungsrat entstandenen Schaden.

Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie persönlich und solidarisch. Das heisst, jede Person kann für den ganzen Schaden belangt werden.

Verschulden

Damit die Organhaftung eintreten kann, müssen die Arbeitgebenden den Schaden absichtlich oder grobfahrlässig verursacht haben. Grobfahrlässigkeit liegt unter anderem vor, wenn:

  • sich die Arbeitgebenden bewusst werden, dass sie möglicherweise von einer Leistung Beiträge zu entrichten haben und sie sich in diesem Falle bei der Ausgleichskasse nicht erkundigt haben.
  • die Arbeitgebenden den Arbeitnehmeranteil vom Lohn abgezogen, jedoch keine Beiträge bezahlt haben. In diesem Falle liegt die Grobfahrlässigkeit in der Regel vor, ausser es handelt sich um ausserordentliche Umstände.

Der Umstand, dass ein Organ juristisch gesehen Laie ist, entbindet es nicht von seiner Haftung, ebenfalls stellt die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit keinen Entlastungsgrund dar.

Der relevante Artikel ist Art. 52 AHVG.

Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.

Verjährung

Der Schadenanspruch unterliegt den Verjährungsbestimmungen des Obligationenrechts für unerlaubte Handlungen. Die Schadenersatzforderung verjährt ein Jahr nach Kenntnis des Schadens (durch die Kasse), spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Schadens.

Die zuständige Ausgleichskasse erlässt eine Verfügung über den Schadenersatz.

Der Arbeitgeber kann beim Versicherungs- oder Verwaltungsgericht (je nach Kanton) innert 30 Tagen Beschwerde einreichen. Als letzten Schritt kann der Arbeitgeber das Bundesgericht anrufen.

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Beispiele von Haftungsfällen

  • Arbeitgeber meldet Arbeitnehmende nicht bei der AHV an (absichtlich).
  • Arbeitgeber zahlt die AHV-Beiträge trotz mehrfacher Mahnung nicht (grobfahrlässig).
  • Ein Verein hat finanzielle Schwierigkeiten; es werden andere Rechnungen zuerst bezahlt, die Forderungen der Ausgleichskasse werden aufgeschoben.
  • Der Verein wird aufgelöst, die Sozialversicherungsbeiträge sind nicht beglichen.

Die geschädigte Kasse darf davon ausgehen, dass eine schuldhafte Verletzung von Vorschriften vorliegt, wenn der Arbeitgeber keine Anhaltspunkte für die Rechtmässigkeit seines Handelns oder seine Schuldlosigkeit nennen kann. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Ersatzpflichtigen, im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht die Rechtfertigungs- und Exkulpationsgründe zu nennen.

Was umfasst der von der Ausgleichskasse festgestellte Schaden?

Der Schaden, den die Ausgleichskasse geltend zu machen berechtigt ist, umfasst die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die AHV, die Invalidenversicherung, die Erwerbsersatzordnung, die Arbeitslosenversicherung die bundesrechtlichen Beiträge nach Familienzulagengesetz (FamZG); zudem die Verwaltungskostenbeiträge, die Mahn- und Betreibungskosten, die Verzugszinsen auf rückständigen Beiträgen und schliesslich in besonderen Fällen die Kosten für die Arbeitgeberkontrolle.

Was überprüft ein Gericht?

Das Gericht prüft die Sorgfaltspflicht der handelnden Organe: Haben sie rechtzeitig reagiert, als die Zahlungsprobleme bekannt wurden; sind Sanierungsüberlegungen gemacht worden; hat zum Beispiel ein Verwaltungsratsmitglied den Rücktritt erwogen? Wenn nichts unternommen wurde, wird die Schadenersatzpflicht vom Gericht bestätigt.

Wichtig:
Es ist zu empfehlen, dass Organe von juristischen Personen stets die Einzahlung der Beiträge für die 1. Säule kontrollieren, damit die Ausgleichskasse keinen Schaden erleidet. Wenn ein neues Mandat übernommen wird, sollte überprüft werden, ob auch in den Vorjahren sämtliche Beiträge an die 1. Säule und die Familienausgleichskasse bezahlt wurden.

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