STEUERN
Globale Mindeststeuer:
Zulässiger Rechnungslegungsstandard und Bemessungsgrundlage
Die Schweiz hat auf den 1. Januar 2024 die globale Mindeststeuer eingeführt und erhebt damit auf dem Gewinn grosser multinationaler Gruppen eine Ergänzungssteuer von maximal 15 Prozent. Die Bemessung erfolgt wie bei der Gewinnsteuer auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden auf einem massgebenden Abschluss unter Berücksichtigung teils komplexer Korrekturvorschriften.
Die globale Mindeststeuer ist in der Schweiz in der Mindestbesteuerungsverordnung vom 22. Dezember 2023 (MindStV, mit Stand am 1. Januar 2025) geregelt. Die Verordnung ist für die Schweiz insofern einzigartig, als viele Aspekte nicht eigenständig in der Verordnung geregelt sind, sondern umfassend auf das Regelwerk der OECD («GloBE-Mustervorschriften» bzw. «MR») verwiesen wird. Dieses Regelwerk ist sehr umfangreich und zeichnet sich durch eine anspruchsvolle englische Rechtssprache aus, die selbst für englische Muttersprachler schwer verständlich sein kann.
Wie bei den Gewinnsteuern auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden erfolgt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die globale Mindeststeuer nach dem Massgeblichkeitsprinzip: Ausgehend von einem nach bestimmten Rechnungslegungsstandards erstellten massgeblichen Abschluss werden unter Berücksichtigung von teilweise komplexen Korrekturvorschriften der Gewinn («GloBE Income») und die erfassten Steuern («Covered Taxes») ermittelt. Die erfassten Steuern sind relevant für die Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes. Ergibt sich aus der Division der erfassten Steuern durch den Gewinn ein Steuersatz von weniger als 15 Prozent, so ist die Differenz zu 15 Prozent der relevante Steuersatz für die Berechnung der Ergänzungssteuer.
Die GloBE-Mustervorschriften verlangen nicht, dass für jede Konzerngesellschaft ein formeller Einzelabschluss erstellt wird. Materielle Zahlen auf Basis eines internen Reporting Package genügen.
Die Bemessung der Ergänzungssteuer ist in der Schweiz in Art. 9 MindStV rudimentär geregelt. Art. 9 Abs. 1 MindStV verweist hinsichtlich der zulässigen Rechnungslegungsstandards und Korrekturvorschriften auf die Vorgaben der GloBE-Mustervorschriften. Ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen kann gemäss Art. 9 Abs. 2 MindStV alternativ ein Abschluss nach Swiss GAAP FER verwendet werden.
Konzernstandard
Gemäss Art. 3.1.2 MR erfolgt die Berechnung der globalen Mindeststeuer grundsätzlich auf Basis des Rechnungslegungsstandards, der für den Konzernabschluss verwendet wird. Die GloBE-Mustervorschriften verlangen jedoch, dass dieser Standard entweder «anerkannt» oder «zugelassen» ist.
Die anerkannten Rechnungslegungsstandards (Acceptable Financial Accounting Standards) sind in Art. 10.1.1 MR abschliessend geregelt und umfassen nebst den IFRS und US GAAP auch die Standards von Australien, Brasilien, China, EU, EWR, Grossbritannien, Hongkong, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Indien, Südkorea, Schweiz und Singapur. Unter dem anerkannten Rechnungslegungsstandard der Schweiz ist Swiss GAAP FER zu verstehen.
Der Begriff zugelassener Rechnungslegungsstandard (Authorized Financial Accounting Standard) ist gemäss Art. 10.1.1 MR definiert als ein Standard, der von einem befugten Rechnungslegungsorgan (Authorized Accounting Body) genehmigt wurde. Er darf nur dann für die Bemessung der Ergänzungssteuer verwendet werden, wenn die Ergebnisse mit den IFRS vergleichbar sind (Gesamtabweichung des konsolidierten Gewinns: max. EUR 75 Mio.). Falls nicht, sind die Zahlen entsprechend anzupassen.
Schweizer Perspektive
Gemäss Ansicht des Bundesrats qualifiziert ein handelsrechtlicher Abschluss gemäss Art. 957 ff. OR nicht als zugelassener Rechnungslegungsstandard, da dieser auf dem Vorsichtsprinzip basiert und folglich die Ergebnisse mit IFRS als «True and Fair View»-Rechnungslegungsstandard nicht vergleichbar sind.
Swiss GAAP FER
Im Sinne einer Sonderregelung kann ein internationaler Konzern gemäss Art. 9 Abs. 2 MindStV für die Berechnung der schweizerischen Ergänzungssteuer auch Swiss GAAP FER anwenden. Diese Regelung ist für Konzerne relevant, die ihre Konzernrechnung nach einem anderen Standard als Swiss GAAP FER erstellen (z.B. US-Konzern mit Konzernrechnung nach US GAAP). Erstellt ein Konzern seinen Abschluss bereits nach Swiss GAAP FER, ist dieser Standard gemäss Art. 9 Abs. 1 MindStV verbindlich.
Die alternative Verwendung von Swiss GAAP FER ist allerdings an Bedingungen geknüpft: Einerseits müssen sämtliche Konzerngesellschaften (inkl. Zweigniederlassungen und Betriebsstätten) in der Schweiz Swiss GAAP FER verwenden und andererseits müssen diese Abschlüsse durch eine Revisionsstelle geprüft werden. Weder in der Verordnung noch im erläuternden Bericht des Bundesrates gibt es zu dieser Sonderregelung detaillierte Ausführungen. Einzig geklärt ist, dass die Geschäftseinheiten nicht zwingend einen formellen Einzelabschluss erstellen müssen. Ein konzerninternes Reporting Package auf Basis von Swiss GAAP FER genügt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), die schweizerische Steuerkonferenz (SSK) und EXPERTsuisse haben darüber hinaus das gemeinsame Verständnis entwickelt, dass einerseits eine Jahresrechnung lediglich auf Basis der Kern-FER (vereinfacht: Kurzversion der Swiss GAAP FER) nicht genügt und andererseits eine Revision mit positivem Testat nach den Schweizer Standards zur Abschlussprüfung (SA-CH) notwendig ist.
In der Praxis wird von dieser Sonderregelung nach Erfahrung der Autoren immer mehr Gebrauch gemacht, da Swiss GAAP FER ein Standard mit vielen Wahlrechten und weniger komplexen Vorschriften als IFRS oder US GAAP ist. Dies ermöglicht eine gewisse Steuerplanung. Verschiedene grosse internationale Konzerne erstellen für ihre Tochtergesellschaften in der Schweiz - neben dem Reporting Package nach Konzernrechnung - neu auch Reporting Packages nach Swiss GAAP FER.
Korrekturvorschriften
Ausgehend vom Gewinn und Steueraufwand gemäss Reporting Package nach einem zulässigen Standard werden der Gewinn («GloBE Income») und die erfassten Steuern («Covered Taxes») unter Berücksichtigung von teilweise komplexen Korrekturvorschriften ermittelt. Diese finden sich in Art. 3 und 4 MR und sind teils zwingend, teils als Wahlrecht ausgestaltet.
So ist der Gewinn beispielsweise um Dividenden zu kürzen, die als Beteiligungs- oder Finanzertrag verbucht werden, sofern die Beteiligungsquote mehr als 10 Prozent beträgt oder die Beteiligung länger als ein Jahr gehalten wurde. Des Weiteren sind verbuchte Bussgelder von mehr als EUR 50000 zu eliminieren. Darüber hinaus sind Gewinne oder Verluste aus der Neubewertung von Sachanlagen, die im IFRS-Abschluss im OCI erfasst werden, dem Gewinn hinzuzurechnen (Gewinn) oder zu mindern (Verlust).
Bei der Ermittlung der erfassten Steuern sind beispielsweise im Steueraufwand enthaltene Veränderungen unsicherer Steuerpositionen (Uncertain Tax Positions, IFRIC 23) zu eliminieren. Ebenso sind passive latente Steuern, die mit einem latenten Steuersatz von mehr als 15 Prozent angesetzt wurden, zu korrigieren.
Praktische Herausforderungen
Die Bestimmung des zulässigen Rechnungslegungsstandards ist in der Praxis - trotz auf den ersten Blick komplexer Regelungen - meist verhältnismässig einfach. In der Regel handelt es sich um IFRS oder US GAAP. Ist ein Konzern jedoch nicht börsenkotiert und wendet daher keinen «True and Fair View»-Standard an, muss ein solcher im Einzelfall nur für die Zwecke der globalen Mindeststeuer eingeführt werden.
Die weitaus grössere Herausforderung ist die Ermittlung des Gewinns und der erfassten Steuern aufgrund der teilweise sehr komplexen Korrekturvorschriften. Hierzu ist ein umfassendes Verständnis des anwendbaren Rechnungslegungsstandards erforderlich. Für die Anwendung der Korrekturvorschriften der massgeblichen Steuern ist Fachwissen über laufende und latente Steuern unabdingbar.
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