NETZWERKTAGUNG

Vom Kerbholz zur Blockchain

Die diesjährige Netzwerktagung mit dem provokativen Titel «Das Geld – der Tod der Buchhaltung?» weckte grosses Interesse. Der emeritierte Professor Dr. Urs Birchler nahm die Teilnehmenden mit auf eine faszinierende Reise zu den Ursprüngen und zur Entwicklung des Geldes – und sorgte mit seinen pointierten Ausführungen für zahlreiche Aha-Momente im Publikum.

 

Text und Fotos: Bettina Kriegel

«Geld kann die Buchhaltung ins Schwitzen bringen», mit diesen Worten begrüsste Dieter Pfaff Ende September die Gäste im UniTurm in Zürich. Der Präsident von SwissAccounting hatte für die diesjährige Netzwerktagung einen besonderen Referenten eingeladen: seinen ehemaligen Kollegen, den emeritierten Finanzprofessor Urs Birchler. Mit augenzwinkender Selbstironie leitete Birchler seinen Vortrag ein: «Von Buchhaltung habe ich wenig Ahnung – darum kann ich gut darüber reden.» Was folgte, war eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Reise durch 5000 Jahre Geld- und Wirtschaftsgeschichte – gespickt mit Witz, Anekdoten und überraschenden Einsichten.

Beginnend im 3. Jahrtausend vor Christus, schilderte Birchler, wie sesshaft werdende Menschen Saatgut für Getreide benötigten – und so erste Kreditverträge entstanden. In diesem Zusammenhang zog er einen überraschenden Vergleich: Die damals grösste Stadt Mesopotamiens zählte etwa so viele Einwohner wie heute Thalwil.

Ein weiterer Aha-Moment: Die Erfindung der Schrift ist eng mit der Buchhaltung verknüpft – entstanden aus dem Bedürfnis, Schulden zu dokumentieren. Anhand der stilisierten Darstellung eines Ochsen, die sich über die Zeit zum Buchstaben «A» entwickelte, veranschaulichte Birchler die Ursprünge schriftlicher Kommunikation und damit auch der Buchführung.

«Etwas auf dem Kerbholz haben» – auch dieser Ausdruck stammt aus jener Zeit und bedeutete ursprünglich nichts anderes als eine moralische oder finanzielle Verpflichtung.

Professor Birchler veranschaulichte das Prinzip anhand historischer Kerbhölzer, mit denen Schuldverhältnisse buchstäblich «eingeschnitten» wurden. Im Kontrast dazu zeigte er den Rosenkranz, ein Symbol endloser Wiederholung, der gegenüber der klar begrenzten Kerbung des Holzes einen interessanten Vergleich bot.

Doch Birchler beliess es nicht bei historischen Anekdoten: Mit der Erwähnung von Luca Pacioli, der 1494 die Grundlagen der doppelten Buchführung dokumentierte, stellte er die Entwicklung moderner Buchhaltung in einen grösseren historischen Kontext – und strafte damit seine anfängliche Aussage über seine vermeintliche Unkenntnis der Buchhaltung Lügen.

Vom Ablasshandel bis zu Stablecoins spannte er den Bogen weiter bis in die Gegenwart und beleuchtete die Transformation des Geldes vom Buchgeld bis hin zu digitalen Währungen. Sein kurzweiliger Vortrag regte zum Nachdenken an und führte zu angeregten Diskussionen über das aktuelle Finanzsystem.

Auf die Publikumsfrage zur Zukunft des AHV-Geldes, das in den USA verwaltet wird, reagierte Birchler mit Humor: «Diese Frage müssen Sie meiner Frau stellen.» Dieter Pfaff ergänzte mit einem Schmunzeln, dass seine Frau Professorin an der Universität St. Gallen gewesen sei.

Das Referat lieferte reichlich Gesprächsstoff für das anschliessende Dinner – ein exquisites Drei-Gänge-Menü hoch über den Dächern von Zürich.

Dozenten und Autoren: Ralph Kleeb und Roman Wey

Dozenten und Autoren: Ralph Kleeb und Roman Wey

homas Cadusch, Pia Käser (beide SwissAccounting) und Shkendije Marjakaj

Thomas Cadusch, Pia Käser (beide SwissAccounting) und Shkendije Marjakaj

1397319796Claudia Schuler und Susanne Grau, Vize-Präsidentin SwissAccounting

Claudia Schuler und Susanne Grau, Vize-Präsidentin SwissAccounting

Dieter Pfaff, Präsident SwissAccounting und Referent Prof. em. Urs Birchler

Dieter Pfaff, Präsident SwissAccounting und Referent Prof. em. Urs Birchler

Manuel Zweifel, Hélène Ducret und Sarah Genner

Manuel Zweifel, Hélène Ducret und Sarah Genner

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