DIGITALISIERUNG

Digitale Fitness im Finanzwesen: Wo stehen wir wirklich?

Die Digitalisierung ist längst kein Zukunftsthema mehr – sie ist Realität. Sie verändert nicht nur, wie wir kommunizieren, sondern auch, wie wir arbeiten, entscheiden und führen. Besonders im Finanz- und Rechnungswesen, wo Präzision, Effizienz und Transparenz gefragt sind, eröffnet die digitale Transformation neue Horizonte – und stellt gleichzeitig hohe Anforderungen an Fachpersonen.

Doch wie gut sind wir wirklich vorbereitet? Wie steht es um unsere digitalen Kompetenzen, wenn es darum geht, Daten zu analysieren, Prozesse zu automatisieren, mit künstlicher Intelligenz zu arbeiten oder IT-Systeme zu verstehen? SwissAccounting hat sich dieser Frage gestellt und eine umfassende Selbstevaluation lanciert. 686 Personen haben teilgenommen – ein starkes Signal für das Interesse an der eigenen digitalen Standortbestimmung.

Die Ergebnisse sind aufschlussreich – und stellenweise überraschend. Sie zeigen: Es gibt eine Gruppe von rund 10% digitaler Pioniere, die bereits heute souverän mit Code umgehen, KI-Anwendungen implementieren und ihre Systemlandschaft aus dem Kopf skizzieren können. Gleichzeitig offenbaren die Resultate auch Unsicherheiten, Wissenslücken und einen grossen Weiterbildungsbedarf.

Besonders erfreulich: Die Mehrheit kennt zentrale Tools und Begriffe – etwa 54% können den Zusammenhang zwischen Business Intelligence und Automatisierung erklären – und zwei Drittel der Befragten besuchen aktiv Weiterbildungen. Auch im Bereich KI zeigt sich ein dynamisches Bild: Während etwa die Hälfte noch in der Experimentierphase steckt, nutzt die andere KI bereits produktiv. Das zeigt: Die digitale Transformation ist im Gange – aber sie verläuft nicht gleichmässig.

Die folgende Analyse beleuchtet fünf zentrale Kompetenzfelder: Analytics, Automatisierung, KI, IT-Affinität und Datengovernance. Sie interpretiert die Ergebnisse, benennt Stärken und Schwächen – und zeigt, wo wir heute stehen und wohin die Reise gehen könnte (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Ergebnisse der Selbstevaluation von 686 Personen

Abbildung 1: Ergebnisse der Selbstevaluation von 686 Personen

1. Analytics-Kompetenz

Datenanalyse ist ein zentrales Element moderner Finanzarbeit. Begriffe wie Data Warehouse (71%) und Business Intelligence (70%) sind vielen geläufig. Doch bei tiefergehenden Konzepten wie ETL sinkt die Vertrautheit auf 24% – ein Hinweis auf begrenzte technische Tiefe.

40% nutzen zentrale Datenquellen für ad hoc-Auswertungen – ein gutes Zeichen. Gleichzeitig arbeiten 22% noch manuell, was auf Optimierungspotenzial hinweist.

Nur gerade 6% der Befragten leben eine echte Self-Service-Kultur, bei der Fachbereiche ihre Auswertungen selbstständig erstellen. Das ist bemerkenswert – denn es zeigt: Daten sind eben doch nicht selbsterklärend. Sie entfalten ihren Wert erst durch Kontext, Interpretation und Fachwissen. Es braucht uns Accountants, die sie verstehen und einordnen können.

Auch bei Reporting-Aufgaben zeigt sich: Während 84% einfache Soll-Ist-Vergleiche beherrschen, sinkt die Zahl bei komplexeren Analysen mit externen Daten auf 22%. Die Basis ist da – doch für tiefere Analysen braucht es mehr Übung und Know-how.

2. Automatisierung

Automatisierung ist ein Schlüssel zur Effizienz – doch wie weit ist sie im Alltag angekommen? Die Ergebnisse zeigen: VBA-Makros sind mit 68% noch das bekannteste Tool, während moderne Begriffe wie Hyperautomation nur 3% erklären können. Das deutet auf eine Lücke zwischen traditionellen und neuen Automatisierungsmethoden hin. Ein konkretes Beispiel: Bei der Aufgabe, 100 personalisierte E-Mails mit Finanzinformationen zu versenden, würden 11% dies manuell erledigen – die Mehrheit wüsste sich auf die eine oder andere Art zu helfen. Nur 13% kennen mehrere Tools zur Automatisierung, was den Bedarf an praxisnaher Schulung unterstreicht.

3. Künstliche Intelligenz

KI ist längst mehr als ein Buzzword – sie verändert Prozesse und Denkweisen. Die Umfrage zeigt, dass Begriffe wie Machine Learning (62%) und GPT & LLMs (57%) vielen bekannt sind. Doch bei Explainable AI oder neuronalen Netzen sinkt die Vertrautheit deutlich – dies sind aber auch eher neuere Begriffe. Positiv: 60% sehen konkrete Anwendungsfälle von KI im Finanzwesen. Aber nur 10% setzen diese bereits um. Das zeigt: Die Offenheit ist da, aber die Umsetzung hinkt hinterher.

Beim Einsatz von KI-Assistenten wie ChatGPT oder Microsoft Copilot nutzen 37% diese regelmässig oder routinemässig. Gleichzeitig haben 18% noch nie damit gearbeitet. Die Interpretation: KI ist im Alltag angekommen, aber noch nicht flächendeckend integriert.

4. IT-Affinität

Die Cloud-Technologie ist für 13% der Befragten eine «Black Box», nur rund 20% haben vertiefteres Verständnis. Das ist nicht weiter problematisch – Cloud muss nicht zum Kernthema von Accounting-Fachpersonen werden. Entscheidend ist vielmehr ein funktionales Verständnis, um souverän mit cloudbasierten Systemen arbeiten zu können.

Ein spannender Indikator für technisches Verständnis ist der Umgang mit Code – exemplarisch dargestellt anhand eines einfachen SQL-Befehls:

SELECT * FROM [FIBU].[dbo].[Transactions] WHERE transactiondate >= '2024-01-01';

24% verstehen «Bahnhof», 34% erkennen SQL, 10% können den Code sofort interpretieren. Dabei steht SQL stellvertretend für Programmier- und Abfragesprachen allgemein. Die Frage dahinter: Haben Accounting-Fachpersonen Berührungsängste mit Code? Die Ergebnisse deuten auf Zurückhaltung hin.

5. Datengovernance

Datenschutz und Governance sind zentrale Themen – besonders im Finanzbereich. Die Umfrage zeigt, dass Begriffe wie Data Governance (57%) und Datenintegrität (51%) vielen geläufig sind. Doch bei Row Level Security sind es nur 7% – ein Hinweis darauf, dass Detailfragen noch zu wenig Beachtung finden.

Ein konkretes Szenario: Ein Controller verliert eine Margenanalyse im Zug. Muss das wegen dem DSG (Datenschutzgesetz) gemeldet werden? Nur 13% können diese Frage spontan beantworten. 58% kennen einzelne Inhalte des Datenschutzgesetzes, aber nicht die Anwendung – ein Hinweis auf Schulungsbedarf.

Auch in der Weiterbildung zeigt sich: Nur 5% haben den Governance-Aspekt vertieft behandelt. Die Mehrheit (43%) kennt ihn nur bruchstückhaft – ein Risiko in Zeiten wachsender regulatorischer Anforderungen.

6. Fazit

Die Swiss Accounting-Selbstevaluation zeigt ein differenziertes Bild: Viele Fachpersonen im Finanzwesen sind offen für digitale Themen, verfügen über Grundkenntnisse und erste Erfahrungen. Doch bei Automatisierung, KI, Governance und Systemverständnis besteht noch Entwicklungsbedarf. Das Interesse ist vorhanden, doch es gilt, dieses in gezielte Weiterbildung, strategische Kompetenzentwicklung und praktische Umsetzung zu überführen. Die digitale Transformation ist kein Sprint, sondern ein Marathon – laut Umfrage sind wir mittendrin, mit vollem Tempo unterwegs, das Ziel ist noch nicht erreicht.

 

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Hier finden Sie alle Ergebnisse der Umfrage.

Ergebnisse Persoenliche Digital Skills

 

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