CONTROLLING

Was Accountants und Controlling-Fachkräfte von der Musik lernen können

Unternehmen setzen in ihren Finanzberichten häufig ganz unterschiedliche Diagrammformen, Farben und Begriffe ein – ein Umstand, der Vergleiche erschwert und Transparenz mindert. Dabei gibt es längst eine gemeinsame «Sprache» für Reports, vergleichbar mit der einheitlichen Notenschrift in der Musik.

Neue Firma, neuer Berichtsstil – ein CFO staunt

Viele CFOs und Controller erleben beim Wechsel in ein anderes Unternehmen das gleiche Phänomen: Die Finanzberichte sind zwar korrekt aufbereitet, unterscheiden sich aber in Diagrammtypen, Farben und Bezeichnungen komplett von den bisher gewohnten Formaten. Ein einfacher Soll-Ist-Vergleich wird dadurch schnell zur Herausforderung. Warum existiert keine universelle «Sprache» für Finanzberichte, die das Lesen und Vergleichen unabhängig vom Unternehmen erleichtert?

Was die Musik uns lehrt: Einheitlichkeit als Erfolgsrezept

In der Musik ist eine einheitliche Notenschrift selbstverständlich – ein Orchester funktioniert nur, wenn alle dieselbe Partitur lesen. Nach demselben Prinzip liessen sich Finanzberichte deutlich schneller erfassen, wenn für deren visuelle Gestaltung ein übergreifender Standard gälte. Einheitliche Regeln würden Missverständnisse reduzieren, Entscheidungen beschleunigen und die Kommunikation effizienter gestalten.

IBCS – die Notensprache für Berichte

Genau hier setzen die International Business Communication Standards (IBCS) an. IBCS sind eine Art universelle «Notensprache» für Zahlen. Sie definieren klare Regeln für die visuelle Darstellung von Geschäftszahlen: Planwerte werden als Hohldarstellung, IstWerte als «solid dark», Werte der Vorperiode als «solid light», Abweichungen klar farblich hervorgehoben – überall gleich. Wer einmal IBCS versteht, liest jeden IBCS-konformen Bericht wie eine musizierende Person ihre Partitur.

Die SUCCESS-Regeln von IBCS im Überblick

Die Kommunikation nach IBCS folgt sieben Regelgruppen, die zusammen das Akronym «SUCCESS» bilden:

  • SAY – Vermitteln Sie klare Botschaften.
  • UNIFY – Verwenden Sie eine einheitliche, semantische Notation.
  • CONDENSE – Erhöhen Sie die Informationsdichte.
  • CHECK – Stellen Sie visuelle Integrität sicher.
  • EXPRESS – Wählen Sie geeignete Visualisierungen.
  • SIMPLIFY – Vermeiden Sie unnötige Komplexität.
  • STRUCTURE – Organisieren Sie Inhalte klar und nachvollziehbar.

Aus der Vielzahl an Regeln werden nachfolgend die «Top 10» genauer erläutert:

Berichte sollten stets eine klare Kernaussage auf jeder Seite oder Folie präsentieren. Die Titel müssen eindeutig und aussagekräftig formuliert sein und mindestens die Reporting Unit, die dargestellten Kennzahlen (inkl. Einheiten!) sowie Zeiträume benennen. Dabei werden Zeitreihen in Diagrammen horizontal als Säulen und strukturelle Vergleiche (z.B. Verteilung pro Kostenstelle) vertikal als Balken angeordnet. Unterschiedliche Zeitperioden (wie Jahre und Monate) können durch unterschiedliche Breiten klar unterscheidbar gemacht werden.

Zur Darstellung von Zahlen sind Säulen-, Balken- und Liniendiagramme zu bevorzugen; Kreisdiagramme und Tachometer hingegen sollten vermieden werden, da sie nur triviale Aussagen ermöglichen. Labels gehören idealerweise direkt ins Diagramm, sodass auf Wertachsen und Gitternetzlinien verzichtet werden kann. Szenarien wie Ist-, Plan- und Prognosewerte sollten immer einheitlich visualisiert werden. Abweichungen zwischen Szenarien (positiv oder negativ) sind durch einheitliche Farbgebung hervorzuheben, während relative Abweichungen durch Pins verdeutlicht werden.

Für Vergleiche ist eine konsistente Skalierung unabdingbar; Achsen dürfen nicht abgeschnitten werden. Wichtige Botschaften werden durch einheitliche Hervorhebungen – wie Ellipsen, Trendpfeile oder Differenzmarkierungen – unterstützt.

Auf www.ibcs.com kann man alle Regeln kostenlos nachlesen. Die Nutzung der IBCS erfolgt übrigens kostenlos unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY-SA). Die Weiterentwicklung der Standards erfolgt durch die IBCS-Community im Stil eines Opensource-Frameworks. Die Community ist als Verein organisiert und steht allen Interessierten offen.

Klarheit, Zeitersparnis, Vergleichbarkeit – warum Standards sich lohnen

Standards bedeuten Klarheit: Statt mühsam Diagramme zu entschlüsseln, würden Controllerinnen und Controller sowie CFOs sofort wissen, was gemeint ist. Einheitlichkeit spart Zeit – nicht nur bei der Erstellung, sondern besonders bei der Analyse und Kommunikation der Berichte. Zudem erleichtert die Standardisierung die Vergleichbarkeit: Monatsabschlüsse oder Unternehmensbereiche könnten problemlos miteinander verglichen werden, da dieselbe visuelle Sprache gesprochen wird.

Ein weiterer Vorteil: Standardisierte Berichte reduzieren Fehler und Missverständnisse. Diskussionen im Management konzentrieren sich auf Inhalte und Analysen, nicht auf unterschiedliche Darstellungen.

Evolution statt Revolution: Bewährte Prinzipien und ISO 24896

IBCS sind keineswegs eine Neuerfindung. Sie bauen auf bewährten Konzepten der Informationsvisualisierung auf, wie sie von Experten wie Edward Tufte und Stephen Few geprägt wurden. Ebenso integrieren sie Elemente der Gestaltpsychologie, welche besagt, dass Menschen intuitiv Ordnung und Konsistenz bevorzugen. IBCS vereinen diese Prinzipien und bringen sie in eine standardisierte, universell anwendbare Form. Das drückt sich aktuell auch in der Erarbeitung der ISO-Norm 24896 aus: Diese hat zum Ziel, die IBCS-basierten Darstellungsstandards auf internationaler Ebene verbindlich zu regeln, sodass Unternehmen weltweit von einer einheitlichen Berichtssprache profitieren.

Einwände und Vorurteile: «Bei uns ist alles anders!»

Natürlich gibt es Einwände gegen die Standardisierung. Manche befürchten, dass dadurch Individualität oder die bestehende Corporate Identity verloren gehen. Tatsächlich ergänzt IBCS bestehende CI/CD-Richtlinien sinnvoll. Während Unternehmensfarben und Logos bleiben, sorgt IBCS dafür, dass inhaltliche Darstellungen überall gleich verständlich sind.

Ein weiterer Einwand ist oft, dass «Standardberichte langweilig» wirken könnten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wenn der Fokus auf dem Inhalt liegt, sind Berichte aussagekräftiger. Ähnlich wie in der Musik sorgen nicht immer neue Notensysteme für Abwechslung, sondern die kreative Interpretation des immer gleichen Standards.

 

Mehrwert für KMU: Professionelle Visualisierung mit wenig Aufwand

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bietet die Standardisierung einen grossen Mehrwert. Durch den Einsatz von IBCS-zertifizierten Addins, beispielsweise für Excel oder Power BI, kann bereits eine einzelne Person rasch professionelle und aussagekräftige Visualisierungen erstellen. So können KMU ohne grossen Aufwand ihr Berichtswesen professionalisieren und verbessern.

IBCS Top Ten

So gelingt der Einstieg: Schritt für Schritt zu einheitlichen Berichten

Wie aber mit IBCS beginnen? Der Einstieg gelingt am besten schrittweise. Ein guter Startpunkt ist ein Pilotprojekt: Wählen Sie einen monatlichen Bericht aus und gestalten Sie ihn nach IBCS um. Vergleichen Sie «vorher» und «nachher» – die bessere Verständlichkeit überzeugt oft rasch.

Nutzen Sie Vorlagen und Templates, die online verfügbar sind. Viele Tools und Plattformen unterstützen bereits IBCS-konforme Darstellungen. Ergänzend empfehlen sich Schulungen und Workshops, um das Team Schritt für Schritt mit der neuen Berichtslogik vertraut zu machen.

Literaturhinweise

www.ibcs.com

Hichert Rolf/Faisst Jürgen, Gefüllt, Gerahmt, Schraffiert: Wie visuelle Einheitlichkeit die Kommunikation mit Berichten, Präsentationen und Dashboards verbessern, Verlag Vahlen 2019.

SwissAccounting (Hrsg.), Swiss Controlling Standards: Best Practice im Controlling, Verlag SKV 2024.

Branger Raphael, How to Succeed with Agile Business Intelligence, Oikosofy Series 2023.

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