Webmagazin

Muss jeder Verein ein Mitgliederverzeichnis führen?

Geschrieben von Baumann Lorant Roman | Jun 19, 2025 10:00:00 PM

RECHT

Muss jeder Verein ein Mitgliederverzeichnis führen?

Was für Aktiengesellschaften, GmbHs und Genossenschaften schon lange gilt, wurde für Vereine im Rahmen der Geldwäschereirevision auf den 1. Januar 2023 ebenfalls eingeführt: die Pflicht für gewisse Vereine, ein Mitgliederverzeichnis zu führen. Welche Vereine sind von dieser Pflicht betroffen und was gilt es dabei zu beachten? Wer hat das Recht, in dieses Verzeichnis Einsicht zu nehmen?

 

Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Jeder Verein muss eine Mitgliederliste führen, damit er seinen Verein gebührend verwalten kann. Der Vorstand muss wissen, wer überhaupt Mitglied ist, wer über ein Stimmrecht in der Vereinsversammlung verfügt und wem der Verein die Einladung zu den Vereinsanlässen zustellen muss. Seit über zwei Jahren besteht jedoch eine gesetzliche Pflicht für gewisse Vereine, ein Mitgliederverzeichnis zu führen. Der Gesetzgeber gibt auch den Inhalt des Verzeichnisses und dessen Aufbewahrungspflicht vor. Nicht eindeutig geregelt ist hingegen das Recht auf Einsichtnahme in dieses Verzeichnis. Diesbezüglich gilt es auch, die Bestimmungen über den Datenschutz zu beachten.

Die Verzeichnispflicht ist in Art. 61a des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) statuiert. Zudem wurde gleichzeitig in Art. 69 Abs. 2 ZGB vorgeschrieben, dass mindestens eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz Zugang zum Mitgliederverzeichnis haben muss, die berechtigt ist, den Verein zu vertreten.

1. Welche Vereine haben die Pflicht, ein Mitgliederverzeichnis zu führen?

Die Pflicht zur Führung eines Mitgliederverzeichnisses betrifft alle Vereine, die verpflichtet sind, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen. Die Eintragungsfälle sind gemäss Art. 61 Abs. 2 ZGB die folgenden:

  • Der Verein betreibt ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe.
  • Der Verein ist revisionspflichtig, was der Fall ist, wenn er in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der nachfolgenden Grössen überschreitet: Bilanzsumme von CHF 10 Mio., Umsatzerlös von CHF 20 Mio. sowie 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt (vgl. dazu Art. 69b Abs. 1 ZGB).
  • Der Verein sammelt oder verteilt direkt oder indirekt im Ausland hauptsächlich Vermögenswerte, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.

Betroffen sind demnach im Wesentlichen gewerbetreibende Vereine, Grossvereine und Vereine mit grösseren Auslandaktivitäten. Alle anderen Vereine - und das dürfte das Gros der Vereine sein - sind nicht im Handelsregister eintragungspflichtig. Diejenigen Vereine, die sich freiwillig im Handelsregister eingetragen haben, ohne dass sie eine gesetzliche Pflicht trifft, unterstehen trotzdem nicht der Verzeichnispflicht nach Art. 61a ZGB. Wie bereits erwähnt, werden alle Vereine irgendein Mitgliederverzeichnis führen. Dabei sind sie aber nicht an die gesetzlichen Vorgaben von Art. 61a ZGB gebunden, insbesondere nicht an die lange Aufbewahrungspflicht. Bleibt zu erwähnen, dass eine Einreichung des Verzeichnisses beim Handelsregister nicht erforderlich ist.

2. Form und vereinsinterne Zuständigkeit

Der Gesetzgeber gibt keine spezifische Form für das Mitgliederverzeichnis vor. Es besteht daher Formfreiheit, wobei sichergestellt werden muss, dass für die gesetzlich vorgegebene Dauer die Einsichtnahme garantiert ist. In Frage kommt also ein Verzeichnis auf Papier oder in elektronischer Form.

Wer muss vereinsintern das Verzeichnis führen? Diese Frage richtet sich nach den Statuten oder einem allfälligen Organisationsreglement. Gewöhnlich wird die Aufgabe der Geschäftsstelle oder dem Vorstand zugewiesen sein. Die Verantwortlichen eines verzeichnungspflichtigen Vereins, welche es unterlassen, das Verzeichnis zu führen, machen sich strafbar und riskieren eine Busse (vgl. Art. 327b des Schweizerischen Strafgesetzbuchs StGB). Ein Mitglied oder ein Gläubiger kann zudem dem zuständigen Zivilgericht beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, falls ein Verein es unterlässt, das Verzeichnis nach Art. 61a ZGB zu führen (vgl. Art. 69c Abs. 1 ZGB).

3. Inhalt des Mitgliederverzeichnisses

Im Verzeichnis sind sämtliche Mitglieder des Vereins einzutragen. Keine Relevanz spielt dabei, ob die Statuten unterschiedliche Mitgliederkategorien vorsehen (zum Beispiel Aktiv- und Passivmitglieder, Ehrenmitglieder etc.). Die Mitglieder sämtlicher Kategorien sind einzutragen, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Vereinsversammlung über ein Stimmrecht verfügen oder nicht. Demgegenüber unterliegen lediglich vertraglich an einen Verein gebundene Personen keiner Eintragungspflicht. Dies sind zum Beispiel spendende Personen, Sponsoren, Sympathisanten oder Gönner, wobei letztere Kategorie auch als Mitgliedschaft ausgestaltet sein kann (sogenannte Gönnermitgliedschaft).

Einzutragen sind:
  • der Vor- und der Nachname;
  • die Firma oder der Name bei einer juristischen Person;
  • die Adresse (Strasse, Hausnummer, Postleitzahl und Ort).

Der Gesetzgeber verlangt weder Telefonnummern noch E-Mail-Adressen. Es kann also sinnvoll sein, zwei Mitgliederlisten zu führen, eine nach Massgabe von Art. 61a ZGB und eine mit sämtlichen erhobenen Mitgliederdaten. Im Falle eines Zugriffs, z.B. durch die Strafverfolgungsbehörden, wäre dann nur in dasjenige Verzeichnis nach Art. 61a ZGB Einsicht zu gewähren.

Dem Verein obliegt eine ungeschriebene, aber selbstverständliche Pflicht, das Verzeichnis auf dem aktuellen Stand zu halten. Mutationen sind also laufend nachzutragen. In diesem Zusammenhang wird von einer Nachführungs- oder Aktualisierungspflicht gesprochen.

4. Einsichtnahme

Leider regelt der Gesetzgeber die Einsichtnahme in das Verzeichnis nicht. Da die Bestimmung im Kontext der Revision der Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierung ins Gesetz aufgenommen wurde, versteht sich von selbst, dass den Schweizer Behörden, namentlich den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, in diesem Zusammenhang ein Einsichtsrecht zukommt. Aber auch bei anderen Straffällen ist der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu bejahen. Das Einsichtsrecht soll sicherstellen, dass die Behörden die Herausgabe von Daten verlangen können, ohne auf die Mithilfe Dritter angewiesen zu sein.

Ein schützenswertes Interesse zur Einsichtnahme kann auch den Vereinsmitgliedern zugestanden werden, wenn sie sich vereinsrechtlich auf ein Einsichtsrecht berufen können. Dies ist namentlich der Fall, wenn ein Mitglied eine Vereinsversammlung einberufen möchte und dafür den Nachweis erbringen muss, dass ein Fünftel aller Mitglieder dieses Ansinnen teilt (vgl. dazu Art. 64 Abs. 3 ZGB). Für diesen Fall sind einem Mitglied die Mitgliederdaten herauszugeben (siehe zum Datenschutz unten Ziffer 6). Unbestritten ist, dass jedes Mitglied ohne weitere Voraussetzungen ein Recht auf Einsicht in das Verzeichnis in Bezug auf die das jeweilige Mitglied betreffende Eintragung hat (inkl. das Recht auf Berichtigung falscher Angaben). Schliesslich wird auch der Revisionsstelle ein Einsichtsrecht zugestanden werden müssen.

5. Zugriff und Aufbewahrung

Das Mitgliederverzeichnis ist so zu führen, dass in der Schweiz jederzeit darauf zugegriffen werden kann (vgl. Art. 61a Abs. 2 ZGB). Der Gesetzgeber hält ausdrücklich fest, dass eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz, welche den Verein mit Einzelunterschrift vertreten kann, Zugang zum Verzeichnis haben muss (vgl. Art. 69 Abs. 2 ZGB). Verfügt keine der Personen mit Wohnsitz in der Schweiz über die Einzelunterschrift, so kann die Wohnsitzanforderung auch mit mehreren Personen erfüllt werden (Kollektivunterschrift). Zugriff bzw. Zugang heisst, dass die Person das Verzeichnis behändigen kann, wenn es physisch auf Papier geführt wird, oder über die Möglichkeit verfügt, ohne weitere Hürden elektronisch darauf zu zugreifen.

Die Vereinsverantwortlichen müssen die Angaben über jedes Mitglied im Verzeichnis sowie allfällige Belege dazu während fünf Jahren nach der Streichung des Mitglieds aus dem Verzeichnis aufbewahren (vgl. Art. 61a ZGB Abs. 3). Unter Belege sind solche Unterlagen zu verstehen, die in einem Zusammenhang mit dem Ein- und Austritt des Mitglieds stehen, zum Beispiel das Anmeldeformular oder das Austrittsschreiben. Die fünfjährige Frist beginnt nicht mit dem Austritt des Mitglieds aus dem Verein, sondern gemäss klarem Wortlaut des Gesetzes mit der effektiven Entfernung der Angaben aus dem Verzeichnis. Es empfiehlt sich, ein Aufbewahrungsverzeichnis zu führen, worin die Angaben und die Belege ab dem Zeitpunkt der Streichung aus dem Mitgliederverzeichnis (weiter)geführt werden. Dabei ist der Zeitpunkt der Streichung und der Zeitpunkt der vorzunehmenden Löschung zu vermerken.

6. Achtung Datenschutz

Die Angaben im Mitgliederverzeichnis, sei es eines nach Art. 61a ZGB oder ein freiwilliges, und auch die Tatsache, dass eine Person in einem bestimmten Verein Mitglied ist, stellen Personendaten nach dem Schweizer Datenschutzgesetz (DSG) dar. Unter Umständen handelt es sich gar um besonders schützenswerte Personendaten, wie etwa die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder in einer Patientenorganisation. Die Mitgliederdaten sind daher nach den Grundsätzen des DSG zu bearbeiten und vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Die Bekanntgabe der Mitgliederdaten an Dritte (inkl. an die anderen Vereinsmitglieder) stellt grundsätzlich eine Persönlichkeitsverletzung dar, welche aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt und damit zulässig sein kann (vgl. Art. 31 DBG).

Ausser Frage steht die vorerwähnte Bekanntgabe an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, ebenso die Bekanntgabe an die Vereinsmitglieder, damit sie ihr Recht nach Art. 64 Abs. 3 ZGB (Einberufung einer Vereinsversammlung) ausüben können (siehe dazu oben Ziffer 4). Im Übrigen dürfte für die Bekanntgabe an die anderen Mitglieder grundsätzlich eine Einwilligung erforderlich sein, so jedenfalls die Auffassung des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Die Einwilligung erfolgt individuell durch jedes Mitglied (zum Beispiel durch ein Kreuz auf dem Eintrittsformular), oder die Bekanntgabe ist gestützt auf eine entsprechende statutarische Grundlage zulässig. RIEMER befürwortet auch dann ein Recht auf Einsichtnahme durch die Mitglieder, wenn sie ein überwiegendes Interesse vorbringen können, wie etwa der Wunsch nach Meinungsaustausch und Diskussion über Vereinsangelegenheiten, einschliesslich Wahlkämpfen um Vorstandsämter. Bei jeder Bekanntgabe sind den Mitgliedern nicht alle Daten, sondern lediglich die für ihr Interesse notwendigen Daten bekanntzugeben. Ebenso sollten bei jeder Bekanntgabe die Vereinsverantwortlichen definieren, zu welchem Zweck die Daten verwendet werden dürfen. Es empfiehlt sich jeweils, ein Hinweis anzubringen, dass die Daten nach deren Verwendung zu vernichten sind. Den Mitgliedern ist schliesslich die Bekanntgabe von Mitgliederdaten dann zu verweigern, wenn eine rechtsmissbräuchliche Verwendung derselben droht, zum Beispiel für Werbe- und Marketingzwecke.

Mit dem Leitfaden (2. Auflage, Juni 2024) unterstützen wir die schätzungsweise 100000 Vereine in Fragen des Finanz- und Rechnungswesens sowie der Revision. Rechtliche Aspekte, Fragen der Haftung, Steuern und Abgaben, Versicherungen sowie Datenschutz sind auch in der Arbeitshilfe zu finden.