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Herstellkosten entlang einer konzernweiten Wertschöpfungskette

Geschrieben von Dirk Baldinger | Mar 20, 2025 11:00:00 PM

CONTROLLING

Herstellkosten entlang einer konzernweiten Wertschöpfungskette

Steuerung von Herstellkosten ohne konzerninterne Margen: Transparenz ist der Schlüssel zur Optimierung von Kunden- und Produktprofitabilität auf Konzernebene. Sie ermöglicht gezielte strategische Produktportfolioentscheidungen und steigert die Effizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

 

Die Produktkostenkalkulation ist für die Unternehmensführung und die Finanzbuchhaltung von entscheidender Bedeutung. Aus Sicht der Steuerung stellt sie sicher, dass die Kosten für die Herstellung eines Produktes den jeweiligen Kostenträgern korrekt zugeordnet werden und den Anforderungen der Unternehmensführung in Hinblick auf die Bruttomarge gerecht werden.

Ausserdem sind die Herstellungskosten ein wesentlicher Bestandteil der regulatorisch vorgeschriebenen Vorratsbewertung, was ihre enge Verzahnung mit der Finanzbuchhaltung und den Rechnungslegungsvorschriften verdeutlicht. In der Schweiz erfolgt die Bewertung der Vorräte in der Regel nach dem Niederstwertprinzip gemäss Swiss GAAP FER. Im multinationalen Umfeld wird häufig der IFRS-Standard für das Gruppenreporting angewendet. In der EU ist dieser Standard für börsennotierte Unternehmen sogar verpflichtend. Ähnlich wie bei Swiss GAAP FER verlangt auch IFRS die Anwendung des Niederstwertprinzips. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten müssen grundsätzlich alle damit verbundenen Kosten erfassen, um den Kostenträger in seinen aktuellen Zustand und an den aktuellen Ort zu versetzen.

Komponenten der Herstellkosten

Die Herstellkosten werden bei der Kostenrechnung in drei Hauptkomponenten unterteilt, um eine präzise Steuerung und Kontrolle der Produktionskosten zu ermöglichen.

  • Materialkosten als wesentliche Komponente der Herstellkosten werden entweder extern von Drittanbietern bezogen oder von verbundenen Unternehmen, die beispielsweise eine Vorstufe der Gesamtherstellung ausführen.
  • Als weitere direkte Herstellkosten fallen Produktionskosten an. Diese setzen sich hauptsächlich aus zwei Bestandteilen zusammen: den Personalkosten und den Anlagekosten. Die Personalkosten umfassen grösstenteils Gehaltszahlungen einschliesslich Sozialabgaben und direkt personalverbundene Kosten (z.B. Schulungen), während die Zusammensetzung der Anlagekosten komplexer ist und unter anderem Abschreibungen, direkt eingesetzte Betriebsmittel sowie Energiekosten umfasst.
  • Abschliessend werden Gemeinkosten berücksichtigt, die keinem einzelnen Kostenträger direkt zugeordnet werden können. Sie fallen während der Herstellung an und werden anteilsmässig über Material- oder Produktionsgemeinkostenzuschläge auf den Kostenträger verrechnet.

Konzernkostenrechnung und konsolidierte Produktkosten

Die Konzernkostenkalkulation ist ein umfassender Ansatz, der alle Produktionskosten über mehrere legale Einheiten innerhalb eines Konzerns hinweg berücksichtigt. Dabei ist aus Konzernperspektive eine Sicht ohne interne Margen relevant. Damit auch die lokalen Berichtsanforderungen erfüllt werden können, ist eine parallele Bewertung unerlässlich. Sie stellt sicher, dass die lokalen Produktionskosten, einschliesslich der von verbundenen Unternehmen bezogenen Materialien, in den lokalen Jahresabschlüssen korrekt wiedergegeben werden.

Diese Doppelfunktion gewährleistet, dass der Konzern eine konsolidierte Sicht auf die Bestandsbewertung wie auch Umsatzkosten erhält, während die einzelnen juristischen Einheiten ihre Herstellkosten unabhängig voneinander verwalten und ausweisen können. Dabei werden die Herstellkosten über die gesamte Wertschöpfungskette innerhalb der Gruppe transparent dargestellt.

Bedeutung der konsolidierten Produktkostenkalkulation

Die fortschreitende Globalisierung der Wertschöpfungsketten - charakterisiert durch das Outsourcing von Produktionsaktivitäten, die Etablierung multinationaler Vertriebskanäle sowie Transaktionen zwischen rechtlich eigenständigen Einheiten auf Basis von Transferpreisen - unterstreicht die Bedeutung der Nutzung konsolidierter Produktherstellkosten.

Eine Steuerung, die lediglich die Perspektive einzelner legaler Einheiten berücksichtigt, reicht in diesem Kontext nicht aus. Auf Konzernebene ist eine Steuerung auf Basis einer unkonsolidierten Sicht nicht zielführend, da Intercompany-Margen (IC-Margen) den Konzerndeckungsbeitrag verzerren, die Vergleichbarkeit zwischen Vertriebsgesellschaften erschweren und Transferpreise oft steuerlich motiviert sind.

Konsolidierte Herstellkosten verbessern die Steuerung auf Konzernebene in vielerlei Hinsicht:

  • Transparenz und Vergleichbarkeit: Die Produktherstellkosten und Vorratsbestände werden nicht aufgrund von steuerlich motivierten IC-Margen verzerrt.
  • Strategische Entscheidungsfindung: Die Optimierung des Produktportfolios und Entwicklung von Preisfindungs- und Rabattstrategien zur Steuerung der Kundenprofitabilität wird ermöglicht.
  • Kostenkontrolle und -optimierung: Die Analyse konsolidierter Herstellkosten ermöglicht die Identifizierung ineffizienter Konzernprozesse und die Umsetzung von Massnahmen zur Kostenoptimierung.

Eine genaue Erfassung und Berechnung sowie der Ausweis von Herstellkosten, insbesondere der Material- und Produktionskosten, kann dazu führen, dass zum Beispiel durch niedrigere Beschaffungspreise der Rohstoffe oder effizientere Produktionsprozesse eine höhere Bruttomarge erzielt wird.

Damit strategisch motivierte Entscheidungen sowie gezielte Kostensenkungen umgesetzt werden können, ist Transparenz und Vergleichbarkeit der Produktherstellkosten auf Konzernebene unabdingbar. Eine genaue Produktkalkulation ist für die Unternehmensführung daher interessant, weil die Herstellkosten oft einen erheblichen Teil der Betriebskosten ausmachen, und deren gezielte Optimierung langfristig zu einer Verbesserung vom Konzern-EBIT beiträgt.

Abbildung 1: Legale Bewertung

Anwendungsbereich illustriert an einer konzernübergreifenden Wertschöpfungskette

Abbildung 1 veranschaulicht eine dreistufige Wertschöpfungskette innerhalb eines Konzerns. Jeder Produkttransfer zwischen rechtlich eigenständigen Einheiten erfolgt auf Basis eines Transferpreises, der sich typischerweise aus zwei zentralen Komponenten zusammensetzt: den Herstellkosten und einer Marge.

Aus Sicht der empfangenden Einheit und unter Berücksichtigung von Rechnungslegungsvorschriften spielt die Differenzierung zwischen Herstellkosten und Marge innerhalb des Transferpreises jedoch keine Rolle. Der Transferpreis, einschliesslich der konzerninternen Marge, wird vollständig in das bewertete Lager eingebucht und beeinflusst entsprechend den ausgewiesenen Materialwert.

Um eine realistische Bewertung der gruppenweiten Performance sicherzustellen, müssen konzerninterne Gewinne eliminiert werden. Diese Eliminierung ist entscheidend, um Verzerrungen zu vermeiden und die finanzielle Situation des Konzerns transparent und vergleichbar darzustellen.

In konzernübergreifenden Wertschöpfungsketten geht bei der rechtlichen Bewertung die detaillierte Aufschlüsselung der Kostenbestandteile eines Materials oftmals verloren. Innerhalb eines globalen, harmonisierten Kostenrechnungskreises ist es jedoch möglich, diese Kostenbestandteile von einer rechtlichen Einheit zur nächsten zu übertragen und sie in der Konzernkalkulation konsistent darzustellen.

Abbildung 2: Konzernbewertung

Abbildung 2 illustriert anschaulich, wieauf Konzernebene die einzelnen Kosten-bestandteile separiert dargestellt werden, wobei die IC-Margen bewusst nicht berücksichtigt werden. Diese Transparenz und die systematische Aufschlüsselung der Kostenbestandteile entlang der Wertschöpfungskette fördern die Vergleichbarkeit zwischen rechtlichen Einheiten, schaffen eine solide Grundlage für strategische Entscheidungen und gewährleisten eine präzise Kostenkontrolle. Dadurch wird die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns gestärkt.

Herausforderungen bei der Ermittlung der Konzernherstellkosten

Global tätige Unternehmen stehen häufig vor der Aufgabe, eine akkurate und aussagekräftige Konzernergebnisrechnung darzustellen. Eine grosse Herausforderung hierbei stellt die korrekte Ermittlung der Konzernherstellkosten (des Umsatzes) dar, wenn die Wertschöpfungskette Unternehmens- sowie Systemgrenzen überschreiten.

Durch die Gewährleistung von Transparenz und Vergleichbarkeit der Herstellkosten im gesamten Konzern können Unternehmen fundierte strategische Entscheidungen treffen, Kosten optimieren und die Gesamt-rentabilität verbessern.

Die Struktur der Kalkulation zeigt auf, in welche Komponenten die Herstellkosten aufgegliedert werden. Je nach Unternehmensphilosophie kann die Kalkulationsstruktur entweder nach Einzel- und Gemeinkosten oder entlang der Schritte der Wertschöpfungskette gegliedert werden. Eine globale, harmonisierte Definition dieser Struktur stellt sicher, dass die einzelnen Komponenten über Unternehmensgrenzen hinweg aggregiert werden können.

Neben der globalen Struktur der Kalkulation als zentrale Leitplanke sind ein harmonisierter Bewertungsansatz und Wertefluss unausweichlich.

Die Unternehmen müssen ihre lokalen Kosten einheitlich bewerten und harmonisiert in die Kalkulation integrieren, sodass beispielsweise Allokationen innerhalb der Gemeinkostenverrechnung konsistent und nach derselben Methode erfolgen. Der Bewertungsansatz hat dabei dem Konzernansatz zu folgen und etwaige lokale Abweichungen, wie z.B. die Bestandsbewertung für den lokalen Jahresabschluss, sind unabhängig voneinander durchzuführen.

Hierzu zählen unter anderem einheitliche Grundsätze für die Abschreibung des Anlagevermögens, z.B. in Bezug auf die Berücksichtigung von kalkulatorischen Abschreibungen. Des Weiteren aber auch die Verrechnung von allgemeinen Gemeinkosten, welche z.B. entweder über Gemeinkostenzuschläge für Material oder Fertigung verrechnet oder innerhalb des Werteflusses aufwandsgerecht den Kostenverursachern (Produktionskostenstellen) zugerechnet werden können und somit schlussendlich in die Tarifermittlung der Produktionsleistung eingehen.

Eine Herausforderung stellt zudem die Berücksichtigung von Kosten des Transfers zwischen einzelnen Unternehmen dar. Hierzu zählen unter anderem Frachtkosten oder Zölle. Bei Frachtkosten ist zu unterscheiden, ob diese vom Sender (Outbound) oder vom Empfänger (Inbound) getragen werden. Übernimmt der Sender die Kosten, sind sie indirekt im Transferpreis an den Empfänger enthalten und als Sondereinzelkosten des Versands ausgewiesen. Die Information fehlt jedoch auf Empfängerseite und somit eventuell in einer Konzernherstellkostensicht. Werden Transportkosten generell vom Empfänger getragen, sind alle Informationen vorhanden, um auf Empfängerseite akkurate Konzernherstellkosten zu berechnen. Idealerweise sind hierbei auch die Incoterms innerhalb des Konzerns harmonisiert, so dass die Werteflüsse zu jeder Zeit identisch abgewickelt werden.

IT-Architektur für die Konzernkalkulation

Für die Konzernherstellkostenkalkulation empfiehlt sich ein zentrales und integratives System, wie z.B. SAP S/4HANA. Alternativ kann auch eine zusätzliche Schicht über den operativen ERP-Systemen eingesetzt werden, was jedoch die Komplexität erhöht und die Transparenz reduzieren kann. Um zusätzlichen Mapping-Aufwand zu vermeiden, ist die Harmonisierung von Stammdaten (z.B. globale Materialnummern) unerlässlich.

Schlussfolgerung

Eine exakte Produktkostenkalkulation und Konzernkostenkalkulation sind für eine effektive Unternehmensführung und Finanzbuchhaltung von zentraler Bedeutung. Durch die Gewährleistung von Transparenz und Vergleichbarkeit der Herstellkosten im gesamten Konzern können Unternehmen fundierte strategische Entscheidungen treffen, Kosten optimieren und die Gesamtrentabilität verbessern. Die Implementierung einer zentralisierten IT-Architektur unterstützt diese Ziele, indem sie einen kohärenten und effizienten Ansatz für die Verwaltung der Konzernherstellkosten bietet.